Freihandel: Abkommen EU-Kolumbien-Peru öffnet Tür für Kokain-Dollars

BEITRAG von JÜRGEN KLUTE/ KARSTEN PETERS in EuropaROT 12

09.07.2013

Während selbst die europäischen Regierungschefs heute ernsthaft diskutieren, wie sie der aggressiven Steuervermeidung internationaler Unternehmen Herr werden können, bläst in Kürze strammer Gegenwind aus Südwest. Denn längst ist klar, dass das Freihandelsabkommen zwischen der EU, Peru und Kolumbien Geldwäsche und aggressiver Steuervermeidung Tür und Tor öffnen wird.

Mit Umsätzen über mehrere Milliarden Dollar spielen sowohl Kolumbien als auch Peru seit Jahren in der weltweiten Champions League der Kokain-Produktion – Schwarzgeld, das gewaschen werden muss. Das im Mai ratifizierte Freihandelsabkommen ist hierfür eine mehr als großzügige Einladung, wie die niederländische NGO SOMO ("Stiftung zur Untersuchung multinationaler Konzerne") in einer Untersuchung nachweist. Deren Expertin Van der Stichele hat das Abkommen nach Klauseln zur Verhinderung von Geldwäsche durchsucht - vergeblich! Stattdessen darf der freie Kapitalfluss nur unter „ungewöhnlichen Umständen" eingeschränkt werden. In Kombination mit dem in der EU noch immer weit verbreiteten Bankgeheimnis bietet sich hier für Drogenbosse eine ganz neue Gelegenheit, aus Schwarzgeld weißes zu machen.

Die Einbeziehung der Finanzmärkte in das Abkommen birgt daneben noch ganz andere Risiken. Während in der EU zur Zeit heftig daran gearbeitet wird, die Finanzmärkte zumindest teilweise wieder zu regulieren, öffnet das Abkommen eine bedenkliche Hintertür: Nahezu alle denkbaren Finanzmarktprodukte und Bankdienstleistungen sind Teil des Abkommens. Konkret heißt das: auf EU-Ebene eingeführte Positionslimits, also Mengenbeschränkungen für bestimmte Finanzmarktprodukte, könnten von Peru und Kolumbien unter Umständen verhindert werden, weil sie den freien Zugang zum Markt beschränken. Positionslimits sind eines der Mittel, mit denen die massive Spekulation auf den Nahrungsmittelmärkten eingeschränkt werden soll und es ist recht wahrscheinlich, dass sie in nächster Zeit in der EU eingeführt werden

Ähnliches droht bei einer möglichen Bankentrennung in der EU: zur Trennung von Geschäfts- und Investmentbanken laufen zur Zeit erste Verhandlungen, die eventuell dazu führen, dass Banken mit normalem Einlagengeschäft nur noch sehr eingeschränkt an den Finanzmärkten handeln dürfen – nach dem Verständnis des Freihandelsabkommens wäre das ganz klar eine Beschränkung des Marktzugangs, so dass die Partnerländer dagegen vorgehen könnten. Der wissenschaftliche Dienst des Bundestages kommt bei einer Beurteilung des ähnlich gelagerten Abkommens zwischen der EU und sechs lateinamerikanischen Ländern übrigens zu einer ähnlichen Einschätzung: „Diese (europäischen) Regulierungsbestrebungen könnten durch die in den Freihandelsabkommen vorgesehene Liberalisierung des Derivatsektors unter Umständen unterlaufen werden."

Statt also das Abkommen zu nutzen, um Steuerhinterziehung zu erschweren, wird sie sogar noch erleichtert. Dabei wäre es kein Hexenwerk gewesen, mit dem Abkommen einen automatischen Datenaustausch zu vereinbaren, so dass die Vertragsstaaten sich gegenseitig über Geldbewegungen informiert hätten – Geldwäsche und Steuerhinterziehung würde dadurch erheblich erschwert. Ob Peru oder Kolumbien gegen einzelne der angesprochenen Vorschriften vorgehen, bleibt abzuwarten – solange sie nichts tun, ändert sich an den Regulierungsvorhaben nichts.

Ohne weiteres übertragbar auf das Handelsabkommen EU-USA ist diese Analyse sicher nicht. So laufen gerade beiderseits des Atlantiks ähnliche Regulierungsvorhaben, allerdings steckt auch hier der Teufel im Detail – und wird der Finanzmarktbereich im Vertrag nicht genau genug formuliert, droht auch hier eine Aushebelung der Finanzmarktregulierung durch die Hintertür.

--

ALLE AUSGABEN DES MAGAZINS europaROT FINDEN SIE HIER!