Verschärfte Haushaltsüberwachung: „Es wird weiter so getan, als müsse jedes Land für sich alleine die Eurokrise lösen."

PRESSEMITTEILUNG & HINTERGRUND von JÜRGEN KLUTE zum "TWO PACK"

12.03.2013
1. Mai in Lissabon

Wenn die Parlamente der Euroländer im Herbst diesen Jahres den Haushalt 2014 aufstellen, wird die EU-Kommission die Budget-Entwürfe frühzeitig auf die Einhaltung der verschärften Verschuldungsregeln der Währungsunion hin überprüfen. So sehen es zwei neue Verordnungen vor, die das EU-Parlament nach monatelangem Tauziehen heute beschlossen hat.

Tatsächlich waren die Finanzpolitiker im EU-Parlament zunächst nicht sehr überzeugt von der Ausgewogenheit der Reformpläne, die von der Kommission bereits im November 2011 vorgelegt wurden. Um die Krisenpolitik der EU um Elemente der Solidarität und Wachstumsförderung zu ergänzen, hat sich die Kommission daher auf Wunsch des Parlament verpflichtet, weitere Schritte zur Einführung eines gemeinsamen Schuldentilgungsfonds und Eurobonds zu gehen. Eine Expertengruppe soll noch vor den Europawahlen konkrete Maßnahmen vorschlagen.

Jürgen Klute, Finanzexperte der LINKEN im Europaparlament kritisiert das Verhandlungsergebnis als unzureichend: „Mit den heute beschlossenen Reformen wird das Netz zur Überwachung finanzschwacher Mitglieder der Währungsgemeinschaft noch einmal engmaschiger gezogen. Während die Kommission an Befugnissen gewinnt, werden in den Mitgliedsstaaten Ängste vor einer Totalüberwachung durch Brüssel genährt. Auch wirtschaftspolitisch schießen sich die EU-Institutionen mit den neuen Mechanismen ein Eigentor: Wir haben einen gemeinsamen Wirtschaftsraum, eine Währung und gemeinsame Gesetze. Trotzdem wird weiter so getan, als müsste jedes Land für sich alleine die Eurokrise lösen. Das ist nicht nur kontraproduktiv und absurd, sondern auch ein fachliches Armutszeugnis für eine Kommission, die ganz klar nicht auf der Höhe ihrer neuen Aufgaben ist."

Die Absichtserklärung der Kommission sei zwar zu begrüßen, doch „die wichtigste Unterschrift fehlt leider", so Klute. „Wir wissen längst, dass nicht Barroso die Einführung gemeinschaftlicher Lösungen, etwa durch Eurobonds oder einen Schuldentilgungsfonds, blockiert, sondern Merkel und Schäuble. Die Erklärung ist damit leider zahnlos. Wichtiger wiegen demgegenüber die neuen Rechenschafts- und Transparenzpflichten, die die Kommission zukünftig erfüllen muss, wenn sie Krisenländer auf Sparprogramme verpflichtet. Wertvoll für die Betroffenen sind auch jene sozialpolitischen Reißlinien, die auf den Schutz nationalstaatlicher Ausgaben für Gesundheit und Bildung pochen", betont Klute.

Hintergrund: Was sehen die Verordnungen des „Two Pack" konkret vor?

1. Mit der Verordnung zur verschärften Überwachung von Ländern mit finanziellen Schwierigkeiten („Gauzès-Bericht) werden jene Kontroll-Aufgaben nun auch gemeinschaftsrechtlich verankert, die die Kommission gegenüber den „Nutznießern" der europäischen Rettungsfonds faktisch bereits heute übernimmt. Der Kommission wird insbesondere die Aushandlung und Überwachung makroökonomischer Anpassungsprogramme übertragen. Zu diesem Zweck werden die „Programmländer" zur detaillierten finanzpolitischen Berichterstattung verpflichtet, sowie nötigenfalls zur Durchführung von Stresstests, um weitere Informationen die Lage der heimischen Finanzinstitute zu erlangen. Im Gegenzug soll die Stellung des Krisenlandes gegenüber den Märkten verbessert werden, indem insbesondere geltende Zinssätze eingefroren werden und Rating-Agenturen die weitere Bewertung der staatlichen Kreditwürdigkeit untersagt wird.

2. Die Verordnung zur Überwachung der Haushaltsführung der Euroländer („Ferreira-Bericht") verpflichtet die Mitglieder der Währungsunion zur Berichterstattung u.a. über aktuelle und prognostizierte öffentliche Ausgaben und Einnahmen, Wachstumsaussichten, Belastungen durch Gebietskörperschaften und staatseigene Unternehmen. Mit der Erstellung dieser Prognosen müssen die Mitgliedsstaaten unabhängige Institutionen beauftragen. Kommt die Kommission aufgrund der übermittelten Daten zu dem Schluss, dass im Folgejahr die Defizitregeln der Währungsunion nicht eingehalten werden können, kann sie konkrete Sparvorschläge machen und deren Umsetzung faktisch erzwingen.

Straßburg, 12. März 2013