Volkstänze und harte Worte

REPORTAGE erschienen in ECHO ONLINE

14.06.2010

Kurden: 4000 Teilnehmer aus ganz Deutschland beim ,,Festivale Kulture Dersim" auf dem Landungsplatz

Rüsselsheim ,,Brauchtum vorstellen, traditionelle Volkstänze und Volksmusik aufführen und kulinarische Spezialitäten präsentieren" - so wurde den Anwohnern am Mainvorland das zweitägige Spektakel am Freitag und Samstag vorgestellt, sie wurden zur Teilnahme eingeladen und um Verständnis für etwaige Beeinträchtigungen gebeten. Denn das ,,Festivale Kulture Dersim II" auf dem Landungsplatz , soviel war klar, würde wie bei der Erstauflage im vergangenen Jahr wieder mehrere Tausend Besucher aus dem kurdischen Kulturkreis anlocken, und dabei würde es laut.

Doch das in Gegenrichtung gedrehte mächtige Bühnengehäuse mit der überaus potenten Tontechnik konnte eine weiträumige Beschallung angesichts des kräftigen Nordwestwindes nicht verhindern. Nicht nur auf dem Gelände zwischen Dammgasse und Mainstraße, in weiten Teilen der östlichen Innenstadt war das Geschehen vernehmbar, wie es schon von der Kerb her hinlänglich bekannt ist.

Das bundesweite Treffen der kurdischen Gemeinden aus Stadt und Region Dersim im östlichen Anatolien/Türkei ist nach außen ein großfamiliäres Ereignis, das Verbundenheit ausdrückt. Es kann Augen mit bunten Tanzgruppen, Ohren mit orientalischen Klängen und den Gaumen mit Gebäck und Gewürztem verwöhnen. Es wäre aber kein Treffen einer der ,,weltweit größten Volksgruppe ohne eigenen Staat", würden nicht auch deutliche Worte gesprochen. Vom Veranstalter ,,Dersim - Gesellschaft für Wiederaufbau", von eigens aus der Heimat angereisten Bürgermeistern, von Gastrednern in Grußworten. Denn den Kurden als zahlenmäßig gewichtiger Ethnie in der Türkei wird die kulturelle Eigenständigkeit verwehrt. Zeitweise herrscht Krieg im Südosten der Republik. Angesichts jüngster militärischer Einsätze befand denn auch Jürgen Klute, Europaabgeordneter aus Herne: ,,Was in der Türkei passiert, passt nicht ganz zu dem fröhlichen Treffen hier". Er verwies auf die seit sechs Jahren laufenden Versöhnungsbestrebungen zwischen türkischer Regierung, Kurden und EU. Bei alledem halten die am Wochenende in Rüsselsheim versammelten gut 4000 Kurden die Erinnerung an ein Massaker von 1938 nach einem Aufstand wach. Selbst die Eintrittskarten gemahnen den Kundigen mit einem Porträt eines der damals hingerichteten Anführer. Erinnerungskultur, die sich auch im Angebot an Druckerzeugnissen an zahlreichen Ständen findet. In den im Rahmen des Festivals auf fünf Themen ausgerichteten Gesprächsrunden kamen auch Umwelt- und Infrastrukturprobleme zur Sprache. Zum Stichwort Staudämme war Ercan Ayboga vertreten, der schon im vergangenen Jahr im Nachbarschaftszentrum Dicker Busch mit einer Ausstellung auf die durch Staudammbau drohende Vernichtung uralter Siedlungszeugnisse verwiesen hatte (wir haben berichtet). Von den Bürgermeistern angesprochen wurden auch fehlende Finanzmittel der Kommunen für notwendige Fördermaßnahmen. Hier sehen die Veranstalter ihren satzungsgemäßen Auftrag mit der Unterstützung von Projekten hinsichtlich Sprache, Kultur, Wirtschaft, Infrastruktur oder der Ausgestaltung einer demokratischen Zivilgesellschaft. Festivalerlöse fließen dort hinein, und auch die Landsleute, aus europäischen Nachbarländern wie Frankreich, Niederlande oder Österreich angereist, tragen bei.

Ihretwegen habe man Rüsselsheim als zentral gelegenen Ort für diese Veranstaltung ausgewählt, erklärt Moderator Ali Yökler. Und auch, weil die Stadt mit dem Main an einem Fluss liege, wie die Heimatregion am Munzur.

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