Guatemala: Aufhebung des Urteils wegen Völkermords gegen den ehemaligen Diktator

Anfrage an Catherine Ashton, Außenpolitische Vertreterin der EU

21.06.2013
Jürgen Klute, Raul Romeva, Helmut Scholz

Am 20. Mai 2013 wurde das seit langem erwartete Urteil gegen Efraín Ríos Montt wegen Völkermords und Verbrechen gegen die Menschlichkeit durch das guatemaltekische Verfassungsgericht aufgehoben, da es während des Prozesses mutmaßlich zu Verfahrensfehlern gekommen ist. In der Folge werden in dem Prozess, der bis April 2014 ausgesetzt wurde, die nach dem 19. April gemachten Zeugenaussagen und die Beweisführung nach diesem Datum nicht berücksichtigt, d. h. weder die Aussagen mutiger Zeugen, die den Horror systematischer Vergewaltigungen sowie von Folter, Mord, Hungertod und Zwangsumsiedlung beschrieben haben, noch das vom zuvor befassten Gericht gesprochene Urteil.

Die Hohe Kommissarin der Vereinten Nationen für Menschenrechte hat ihren Bedenken hinsichtlich der gesetzlich verankerten Rechte der Guatemalteken Ausdruck verliehen und betont, dass „der Staat verpflichtet ist, die Verantwortlichen des Völkermords, der Kriegsverbrechen und der Verbrechen gegen die Menschlichkeit strafrechtlich zu verfolgen“.

Ist die VP/HR angesichts ihres in der Vergangenheit bekundeten Interesses an diesem Fall (Erklärung vom 18. April 2013) und der Verpflichtung zur Einhaltung der Menschenrechte, die in Artikel 1 des Assoziierungsabkommens zwischen Zentralamerika und der Europäischen Union niedergelegt ist, nicht der Auffassung, dass die EU die guatemaltekischen Behörden in Bezug auf die unangemessenen Verzögerungen in diesem Verfahren um Auskunft ersuchen sollte?

Darüber hinaus lassen die Nachweise, die die National Security Agency der Vereinigten Staaten dahin gehend vorgelegt hat, dass der derzeitige Präsident von Guatemala, Otto Pérez Molina, an den von Efraín Ríos Montt in den 1980-er Jahren(1) gemäß der Taktik der verbrannten Erde geführten Militärkampagnen beteiligt war, daran zweifeln, dass dieser Prozess politisch neutral geführt wird. Kann sich die VP/HR näher mit dieser Thematik befassen und angesichts der Tatsache, dass es in diesem Prozess um Menschenrechte und Verbrechen gegen die Menschlichkeit geht, Guatemala um Auskunft über die Gründe dafür ersuchen, dass diesem wichtigen Prozess offensichtlich keine Priorität eingeräumt wird?

(1) http://nsarchive.wordpress.com/2011/11/14/otto-perez-molina-guatemalan-president-elect-with-%E2%80%9Cblood-on-his-hands%E2%80%9D/

Antwort von Frau Ashton — Hohe Vertreterin/Vizepräsidentin im Namen der Kommission

Die Hohe Vertreterin/Vizepräsidentin hat in ihrer Erklärung vom 18. April hervorgehoben, dass unabhängige, unparteiische und faire Gerichtsverfahren zu den Eckpfeilern jedweden Justizsystems gehören (1). Außerdem ist es ihrer Auffassung nach von grundlegender Bedeutung, dass dieser Fall innerhalb des nationalen Justizsystems und nicht vor einem ausländischen Gerichtshof verhandelt wird. Dies gilt auch für die gegenwärtige Phase des Verfahrens.