Welche Möglichkeiten sehen Sie über das Europaparlament die Finanztransaktionssteuer voranzubringen ?

Frage auf Abgeordnetenwatch

02.11.2013
Jürgen Klute (abgeordnetenwatch)

Lieber Herr Kollege Klute,

welche Möglichkeiten sehen Sie über das Europaparlament die europaweite Einführung der Finanztransaktionssteuer voranzubringen ? Auch Elmar Brok hat sich dem ganzen sehr aufgeschlossen gezeigt. Gibt es bereits parteiübergreifende Initiativen mit den GRÜNEN, mit der CDU und auch mit den Sozialdemokraten diese "Steuer gegen Armut" auf internationaler Ebene zu etablieren?
Führende Kirchenvertreter unterstützen die Steuer gegen Armut und eine breite Öffentlichkeit steht dem ganzen Anliegen ebenfalls positiv gegenüber.

Unter www.Steuer-gegen-Armut.org finden sich die neuesten Details und Hintergründe.

MFG Pfr. Matthias Schmidt, Bad Salzuflen

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Lieber Herr Kollege Schmidt,

Das Europäische Parlament hat - wie Sie es in Ihrer Frage als Hoffnung formuliert haben - eine wichtige Rolle gespielt, die Einführung der Finanztransaktionssteuer auf EU-Ebene voranzutreiben. Die Tatsache, dass die EU-Kommission eine Gesetzesinitiative zur Einführung der Transaktionssteuer vorgelegt hat, ging nicht auf das Engagement der Mitgliedsländer oder der Bundeskanzlerin zurück (auch wenn es in den deutschen Medien oft so erscheint), sondern auf den Druck und das Beharren des EU-Parlaments.

Der zuständige Steuerkommissar Semeta hatte bei seinem Amtsantritt 2009 die FTS abgelehnt. Auch wenn das EU-Parlament kein in den EU-Verträgen abgesichertes Initiativrecht hat, hat sich die EU-Kommission 2009 in einem interinstitutionellen Abkommen dazu verpflichtet, auf Vorschläge des Parlaments für Gesetzesinitiativen zu reagieren. 2011 hat das EU-Parlament unter Führung der griechischen Sozialistin Anni Podimata mit relativ breiter Mehrheit einen Initiativbericht angenommen, in dem die Kommission zur Vorlage einer Gesetzesinitiative aufgefordert wurde ( www.europarl.europa.eu ) - mit Erfolg.

Wichtig ist aber nicht nur, dass die FTS von möglichst vielen Staaten eingeführt wird, sondern auch, dass die Steuer möglichst umfassend und ohne Schlupflöcher eingeführt wird. Der vorliegende Entwurf der Kommission wird diesen Ansprüchen durchaus gerecht. Ein wichtiger und umkämpfter Punkt ist die Frage, wann die Steuer anfallen soll. Kommission und Parlament fordern, dass die Steuer fällig wird, wenn mindestens einer der beteiligten Handelspartner seinen Sitz in einem Land hat, das die FTS eingeführt hat - unabhängig davon, wo auf der Welt das Papier gehandelt wird. Großbritannien will gegen dieses Prinzip vor dem Europäischen Gerichtshof klagen.

Genauso wichtig ist, dass gerade solche Geschäfte besteuert werden, die fast immer spekulativer Natur sind, z.B. der Handel mit Derivaten. Bestehende nationale Alleingänge wie z.B. die in Frankreich unter der Sarkozy-Regierung eingeführte Finanzsteuer lassen den Handel mit Derivaten zum Beispiel außen vor und bleiben deshalb wirkungslos.

Noch eine Anmerkung zur aktuellen Lage: Der Vorschlag der EU-Kommission sieht vor, dass die FTS bereits im Januar 2014 nach dem Verfahren der verstärkten Zusammenarbeit in 11 Mitgliedsländern eingeführt werden soll. Dieser Zeitplan war zwar von Beginn an ehrgeizig, aber es ist wichtig sich bewusst zu machen, dass die FTS eine zentrale Antwort auf die Finanz- und Eurokrise sein muss. Die Bundesregierung hat im Zuge der Krise sehr weitgehende Projekte gegen andere Mitgliedsländer durchgesetzt, z.B. die massive Verschärfung des Stabilitäts- und Wachstumspakts. Rund um die FTS hat unsere Bundesregierung dagegen ein unsauberes "Schwarzer Peter" -Spiel gespielt.

Der Verzicht darauf, die Steuer EU-weit einzuführen, hat den Widerstand des deutschen und des französischen Finanz- und Bankensektors geschürt, die Wettbewerbsnachteile gegenüber London fürchten. Als Reaktion auf die Eurokrise wäre es auch wichtig gewesen, über eine Ausweitung der EU-Kompetenzen in der Steuerpolitik zu diskutieren, um Steuerdumping auch in anderen Sektoren zu unterbinden.

Es ist heute dringender denn je, Druck auf die Mitgliedsländer auszuüben, damit die FTS nicht auf den Sankt-Nimmerleinstag verschoben wird. Das EU-Parlament hat nach den EU-Verträgen bei Steuerfragen nur "beratende" Kompetenzen und kann die FTS nicht abschließend durchsetzen. Wenn die EU-Regierungen den nötigen politischen Willen zeigen, kann die FTS 2014 Realität sein!

mit herzlichen Grüßen
Jürgen Klute