Hintergrund zur Ablehnung von zwei Rechtsakten
Wirtschaftsausschuss im EU-Parlament verwässert Finanzmarktregulierung
Dies ist ein sehr detaillierter Hintergrundartikel - zum Einstieg siehe hier.
Die Regeln für das Inkrafttreten, die Geltungsdauer und darüber, was diese Rechtsakte spezifizieren sollen, wird in jedem Gesetzestext auf EU-Ebene einzeln festgelegt und dort vom Parlament mit abgestimmt. Bei der EMIR gilt, dass die delegierten Rechtsakte erst dann gültig sind, wenn weder Rat noch EU-Parlament innerhalb von drei Monaten nach Vorlage dagegen stimmen.
Die EU-Kommission hat im Dezember drei delegierte Rechtsakte vorgelegt, in denen unter anderem die Qualität von Sicherheitsleistungen und der Umgang mit speziellen Derivaten näher definiert wird.
Höhere Schwellen für realwirtschaftliche Unternehmen
Die Verordnung schreibt vor, dass ein Großteil der außerbörslich gehandelten Derivate (OTC-Derivate) künftig über so genannte Clearingstellen abgewickelt werden muss. Indem die Clearingstelle zwischen Käufer und Verkäufer tritt, können nicht nur endlich wichtige Daten über das in weiten Teilen verborgene Geschäft erhoben werden, damit wird auch das Risiko aus dem Ausfall von Käufer und Verkäufer minimiert. Alle Akteure, die Geschäfte über eine solche Clearingstelle abwickeln, müssen vorher eine Sicherheit bei dieser Clearingstelle hinterlegen und für jeden Handel noch eine weitere Garantie geben. Fällt dann einer der beiden Handelspartner aus oder verliert das gehandelte Papier massiv aus, springt die Clearingstelle ein, um eine Ansteckung zu verhindern – mit der Sicherheit der an diesem Geschäft beteiligten Händler.
Einer der beiden jetzt zurück gewiesenen Rechtsakte (C (2012/9623)) sieht für die Sicherheitsleistungen in einem speziellen Fall eine Klärung vor, die bei Finanzmarktakteuren nicht gut angekommen ist.
Clearingstellen, heißt es in der EMIR, dürfen Bankgarantien als Sicherheitsleistung akzeptieren. Und EMIR sagt, dass Genaueres über die Qualität von Sicherheitsleistungen in einem delegierten Rechtsakt definiert wird. Dort nun schlägt die Kommission vor, dass eine Clearingstelle nur dann Bankgarantien akzeptieren darf, wenn diese Garantien nicht von der Bonität der entsprechenden Bank abhängig sind, sie jederzeit für die Clearingstelle verfügbar sind und die Garantie gegen Ausfall der Bank abgesichert ist.
Mit diesen Sicherheitsvorschriften hat eine solche Bankgarantie logischerweise einen sehr viel höheren Wert – das aber ging den Antragstellern im Wirtschafts- und Währungsausschuss offensichtlich ebenso zu weit wie ihren Freunden. Werner Langen argumentierte, mit diesen Vorschriften würden Bankgarantien als Sicherheitsleistungen beinahe unmöglich gemacht und damit den Vorgaben der EMIR widersprochen. Was Werner Langen nicht sagte: Bankgarantien ohne diese Einschränkungen sind zu unsicher, um als Sicherheiten durchgehen zu können.
Der zweite zurückgewiesene Rechtsakt bezieht sich auf eine Ausnahme für realwirtschaftlich tätige Unternehmen. Während Banken und andere Finanzunternehmen beinah alle von ihnen gehandelten OTC-Derivate über Clearingstellen abwickeln müssen, gilt für Unternehmen der Realwirtschaft eine „Clearingschwelle". Die Lufthansa zum Beispiel muss ihre Kerosin-Futures, die sie braucht, um Preise kalkulieren zu können, erst dann über die Clearingstelle abwickeln, wenn sie ein bestimmtes Volumen überschreiten. Soweit EMIR. Der delegierte Akt spezifiziert: sobald ein realwirtschaftliches Unternehmen mit einem Derivattyp über die Schwelle kommt, muss es alle OTC-Derivate, die es handelt, über die Clearingstelle abwickeln. Wenn also die Lufthansa mit ihren Kerosin-Futures über die Clearingschwelle kommt, muss sie auch ihre anderen OTC-Derivate über die Clearingstelle abwickeln. EMIR schweigt darüber, aber Werner Langen sieht hier einen Widerspruch zur Verordnung – und mit ihm offensichtlich die Mehrheit des Wirtschaftsausschusses. Hintergrund der ursprünglichen Ausnahme in der EMIR war, realwirtschaftliche Unternehmen, die Derivate einsetzen, um sich vor Preisschwankungen zu schützen, nicht zu stark in Mitleidenschaft zu ziehen. Auch hier gibt es von linker Seite reichlich Kritik, unter anderem, weil die Schwellen als zu hoch angesehen werden.
Die delegierten Rechtsakte im Einzelnen (pdf-Dateien):