Wie viel Demokratie braucht die Wirtschaft? Abgeordnete fordern Mitbestimmung bei Unternehmensumstrukturierungen

Informationen zum Cercas-Bericht.

16.01.2013
Thomas Händel, EGB, Arbeiterkammer Österreich, EP-Resolution
Rechte von ArbeitnehmerInnen bei Restrukturierungen

Seit Jahren fehlen einheitliche europäische Vorschriften über Mindeststandards bei Betriebsveränderungen. Durch die Wirtschaftskrise sind zusätzliche Probleme aufgetreten, die Cercas auf europäischer Ebene angehen möchte. Mit seinem Bericht regte er eine Diskussion im Europäischen Parlament an, der wissenschaftliche Studien und kontroverse Debatten folgten. Der Arbeitgeberverband Businesseurope wehrte sich massiv gegen jegliche Regelungen zugunsten der Beschäftigten. GANZER BEITRAG AUF DER WEBSITE DER ARBEITERKAMMER ÖSTERREICH!

Die Umsetzung der Wettbewerbsfähigkeit in der EU und durch die EU sei reglementiert und werde von den Mitgliedsstaaten auch Großteiles eingehalten, der Schutz von ArbeitnehmerInnen und Beschäftigung werde von der Union jedoch stiefmütterlich behandelt, so Isabelle Schönmann vom Europäischen Gewerkschaftsinstitut (ETUI). Schönmann hat am 9. Oktober mit Wissenschaftlern aus anderen Instituten dem Ausschuss für Beschäftigung und soziale Angelegenheiten ihre Forschungsergebnisse zu Unternehmensumstrukturierungen präsentiert. Die Studie wurde vom Ausschuss in Auftrag gegeben, um die Empfehlungen des spanischen EU-Abgeordneten Alejandro Cercas (S&D) auf ihren Mehrwert und ihre Auswirkungen zu überprüfen und der Frage nachzugehen, ob eine EU-Richtlinie auf diesem Gebiet überhaupt sinnvoll wäre. GANZER BERICHT HIER!

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Antizipierung von Wandel und Umstrukturierungen EGB fordert EU-Maßnahmen

Resolution des Exekutivausschusses des europäischen Gewerkschaftsbundes (EGB), 6./7. März 2012

Sozialer Dialog, Verhandlungen und Mitbestimmung sind die Grundwerte und Instrumente, um sozialen Zusammenhalt, hochwertige Beschäftigung, Schaffung von Arbeitsplätzen und Steigerung von Innovation und Wettbewerbsfähigkeit in den europäischen Volkswirtschaften zu fördern und miteinander zu vereinbaren. Die Achtung der Grundrechte der Arbeitnehmer ist daher eine Grundvoraussetzung für Maßnahmen im Bereich von Antizipation und Bewältigung des Wandels. Jeder Versuch die Wirtschafts- und Finanzkrise dazu zu benutzen, Rolle der Tarifverhandlungen oder anderer grundlegender Arbeitnehmerrechte auszuhöhlen oder einzuschränken, indem sie als Luxus in Zeiten der Sparpolitik gebrandmarkt werden, wird vom EGB und den europäischen Bürgerinnen und Bürgern vehement abgelehnt. Das Gegenteil ist der Fall, in der Krise bedarf es mehr Gewicht für die Sozialpartner, um sicherzustellen, dass in der Lage sind, Lösungen zu finden und den Wandel sozial verträglich zu bewältigen und gleichzeitig Wachstum und Entwicklung zu fördern.

Am 17. Januar 2012 hat die Kommission ein neues Grünbuch mit dem Titel „Umstrukturierung und Antizipierung von Veränderungen: Lehren aus den jüngsten Erfahrungen" vorgelegt. Im Rahmen einer öffentlichen Online-Konsultation sollen mit diesem Grünbuch „erfolgreiche Praktiken" ermittelt werden, um sie – auch im Hinblick auf eine neue Debatte über ein mögliches Konzept und einen Rahmen für Umstrukturierungen in die wiederbelebte Flexicurity-Agenda – einfließen zu lassen. Den europäischen Arbeitnehmern ist es bei so wenig Ehrgeiz und dem völligen Fehlen von Vorschlägen, um die immer dringlichere Situation bezüglich Umstrukturierungen in Europa anzugehen, nicht klar, warum die Europäische Kommission fast ein Jahrzehnt verstreichen ließ, um dann zu beschließen, noch mehr Zeit zu verschwenden und sich mit Verbreitungspraktiken verzettelt. Darüber hinaus ist es verheerend, dass sich das Konzept zur Bewältigung der Umstrukturierungen im öffentlichen und privaten Sektor auf eine bereits diskreditierte Arbeitsmarkstrategie stützen soll.

Das Grünbuch verweist auch auf den 2003 im Rahmen des sozialen Dialogs auf EU-Ebene ausgehandelten „Orientierungsleitfaden". Der Text wurde jedoch vom EGB nie offiziell angenommen. Die Mitglieder haben dieses unbefriedigende Dokument lediglich zur Kenntnis genommen und nachdrücklich die Schaffung eines europäischen Rahmens für die Antizipation und Umstrukturierungen gefordert.

Wenn die Europäische Union die Herausforderungen infolge von Wirtschaftskrise, Sparmaßnahmen, Globalisierung, Klimawandel, demographischer Entwicklung, der zunehmenden Ungleichheiten und hohem Tempo des technologischen und organisatorischen Wandels erfolgreich bestehen will, muss sie dringend Maßnahmen ergreifen und ein strategisches und proaktives Konzept im Hinblick auf die Antizipierung und die Bewältigung von Umstrukturierungen auf der Grundlage eines europäischen Rechtsrahmens entwickeln. Ein Jahrzehnt lang ist der EGB nicht müde geworden, eine zweite Phase der Anhörung der Sozialpartner und Maßnahmen der EU einzufordern. Die aktuelle Beschäftigungs- und Wirtschaftskrise erhöht den dementsprechenden Handlungsbedarf.

Die Kommission fällt hinter ihre eigenen Vorschläge zurück

Der EGB beurteilt die Entscheidung, ein Grünbuch zu veröffentlichen statt eine Anhörung der Sozialpartner durchzuführen, umso kritischer, als dies einen größeren Schritt weg vom eigenen Arbeitsprogramm der Kommission widerspiegelt.

Im Oktober 2010 gab die Kommission im Rahmen der Europa 2020-Leitinitiative zur Industriepolitik ihre Absicht bekannt, 2011 eine zweite Phase der Anhörung der Sozialpartner über Umstrukturierungsprozesse abhalten zu wollen. Tatsächlich stellte diese Initiative das einzige soziale Element in der wiederbelebten industriepolitischen Agenda der EU dar. Diese Initiative wurde jedoch als Grünbuch neu verpackt, das zur öffentlichen Konsultation offen steht und eher Diskussionen über neue europäische Maßnahmen darlegt als auf Arbeiten aufbaut, die seit der ersten Anhörung der Sozialpartner im Jahr 2002 unternommen wurden.

Dies steht nicht nur im Widerspruch zu der Position, die die Kommission selbst 2010 vertreten hat, wonach die Sozialpartner die wichtigsten Akteure in den Umstrukturierungsprozessen sind und ihre Meinungen und potenziellen gemeinsamen Aktionen Vorrang haben sollten, sondern zögert die gesetzgeberischen Maßnahmen der EU, die die Rahmenbedingungen für die Antizipierung des Wandels schaffen sollen, weiter hinaus.

Umstrukturierungsprozesse antizipieren, bewältigen und begleiten, das setzt die aktive Teilnahme aller einschlägigen Akteure voraus und muss auf eindeutigen Synergien zwischen politischen, gesetzgeberischen, vertraglichen und Finanzinstrumenten gestützt sein. Ferner müssen Maßnahmen auf alle betroffenen Ebenen, einschließlich der europäischen Ebene, ergriffen werden. Dies kann nur erreicht werden, wenn wir das richtige Gleichgewicht zwischen den Interessen der verschiedenen Stakeholder, vor allem den Interessen des Unternehmens und seiner Belegschaft, herstellen können. Wir wissen, dass dies selten der Fall ist!

Sozialkosten von Umstrukturierungsprozessen steigen

2012 wird wohl ein schwieriges Jahr für die europäischen Arbeitnehmer werden. Die Intensivierung des globalen Wettbewerbs, die Spirale der Wirtschaftskrise, demographische Entwicklungen, der technologische Fortschritt, Klimaschutzverpflichtungen sowie individuelle und kollektive Verschiebungen in den Beschäftigungsmustern haben dramatische Auswirkungen auf die Arbeitsmärkte. Wenn die EU diese Herausforderungen bewältigen will, wird sie mehr und bessere Arbeitsplätze schaffen und Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in die Lage versetzen müssen, ihre Fähigkeiten zu verbessern und diese insbesondere an die kurz- und langfristige Nachfrage des Arbeitsmarktes anzupassen. Das setzt eine langfristige Strategie für die Antizipierung des Wandels und die Entwicklung einer gemeinsamen Industriepolitik voraus.

Gewerkschaften widersetzen sich nicht dem Wandel, solange dieser gerechtfertigt, ausgehandelt und sozialverantwortlich gut gesteuert ist. Der EGB wird sich jedoch stets einem Szenario widersetzen, in dem die negativen Folgen ausschließlich von den Arbeitnehmern geschultert werden, während ein erheblicher Anteil der Manager, die ihrer Verantwortung nicht gerecht worden sind, zum Ausgleich einen „goldenen Handschlag" erhält, was angesichts der exponentiell steigenden Einkommensungleichheit zwischen den Topgehältern und dem Durchschnittsverdienst umso schwerer zu schlucken ist.

Obschon in der EU verschiedene nationale und regionale Politik- und Rechtsrahmen operieren, sind Umstrukturierungsprozesse stets mit hohen Kosten für Arbeitnehmer und die regionalen und lokalen Wirtschaften verbunden. Und diese Kosten steigen. Der alarmierende Charakter der Finanz- und Wirtschaftskrise und die Sparmaßnahmen, die sie weiter anheizen, hatten eine Reduzierung der öffentlichen Mittel zur Folge, die wiederum zu weiteren Arbeitsplatzverlusten, einer Zunahme prekärer Beschäftigungsverhältnisse und zu Unsicherheit für Millionen Männer und Frauen geführt hat, insbesondere für diejenigen mit Zeit- oder Teilzeitverträgen und die saisonal Beschäftigten, was eine gewaltige zusätzliche Herausforderung darstellt.

Auf EU-Ebene koordinierte „Pläne zur haushaltspolitischen Konsolidierung" setzen umfangreiche Pläne zur Umstrukturierung des öffentlichen Sektors wirksam um, d. h. Arbeitsplatzverluste und Gehaltskürzungen, weniger Beschäftigungsschutz, Schwächung oder sogar Verbot von Gewerkschaftsrechten, Auslagerung oder Privatisierung öffentlicher Dienstleistungen, die kaum oder keinen Platz für Verhandlungen über Umstrukturierungspläne lassen.

Inzwischen haben der globale Wettbewerb und die Unternehmensumstrukturierungen in den vergangenen Jahrzehnten in der Europäischen Union zu Arbeitsplatzverlusten in den Produktionsindustrien geführt, vor allem unter den gering Qualifizierten. Der EGB hat lange das Argument vertreten, dass neben der Erkenntnis, dass Maßnahmen zu angemessenen Lösungen für jeden Arbeitnehmer führen müssen, `keine Arbeitslosigkeit` oberstes Ziel der Maßnahmen zur Bewältigung von Umstrukturierungsprozessen sein sollte. Dies erfordert einen Rahmen für Unterstützungsmaßnahmen und Investitionen in aktive Arbeitsmarktpolitik.

Die Systeme, die die brutalen Auswirkungen der wirtschaftlichen Veränderungen für Arbeitnehmer abfedern sollen, werden jedoch selbst durch Sparmaßnahmen und Deregulierung ausgehöhlt und die Arbeitnehmervertreter zunehmend nur noch als ein Mittel angesehen, das die Akzeptanz von Veränderungen sicherstellen soll. Im Gegenteil: Nur durch konsistente und stärkere Einbindung der Arbeitnehmer können Veränderungen sozial akzeptabel bewältigt, Vertrauen gefördert und antizipative Maßnahmen entwickelt werden.

Die Regeln des Finanz- und Industriekapitalismus gelten weltweit, die für die Beteiligung von Arbeitnehmern an der Strategie und der Umstrukturierung von Unternehmen geltenden Vorschriften werden jedoch noch immer größtenteils auf nationaler Ebene ausgeformt und es gibt nur wenige europäische Instrumente (Unterrichtung und Anhörung, EBR usw.), die zudem nicht in allen Mitgliedstaaten vollständig umgesetzt worden sind.

Angesichts der anhaltenden Globalisierung ist das Subsidiaritätsprinzip immer weniger zur Verteidigung nationaler Vorschriften geeignet. Während die Unternehmen weltweit operieren und Landesgrenzen ignorieren, ist ein Überdenken der Rolle der Arbeitnehmerbeteiligung in den Unternehmen und im öffentlichen Sektor auf europäischer Ebene von entscheidender Bedeutung. Vorhandene Gesetze müssen angegangen und verbessert werden, damit sie die wirtschaftliche Realität widerspiegeln.

Das gilt etwa für die Richtlinie zum Übergang von Unternehmen, deren enger Geltungsbereich überarbeitet werden muss, damit auch Betriebsübergänge durch Eigentümerwechsel unter die Richtlinie fallen. In einem Kontext der zunehmenden Finanzialisierung von Investitionen ist dies besonders wichtig, da aggressiver Stellenabbau und Lohnstopps häufig der Preis für eine Überschuldung durch eine fremdfinanzierte Firmenübernahme ist. Eine kohärente Agenda für Antizipation auf europäischer Ebene, deren zentrales Ziel die Förderung hochwertiger Arbeitsplätze und angemessener Lebensstandards ist, kann nur auf der Grundlage einer starken Beteiligung der Arbeitnehmer entwickelt werden.

Bereits in ihrer Mitteilung über Umstrukturierungen aus dem Jahr 2005 erkannte die Kommission die Probleme, die mit den negativen Folgen von Umstrukturierungen, Standortverlagerungen, Fusionen, Übernahmen und Verschmelzungen nicht nur für die Arbeitnehmer selbst, die in allen Ländern das Gefühl der Unsicherheit teilen, das durch die Angst vor dem Verlust oder der Auslagerung von Arbeitsplätzen hervorgerufen wird, sondern auch für verschiedene Wirtschaftssektoren, die direkt oder indirekt den Folgen der Umstrukturierung ausgesetzt sind, und für komplette lokale und regionale Wirtschaften verbunden sind.

Diese Folgen sind in den meisten Fällen nicht mit den Europa-2020-Zielsetzungen kompatibel, insbesondere nicht mit denen, die sich auf die Förderung der Vollbeschäftigung und die Qualität der Arbeitsplätze, soziale und territoriale Kohäsion, eine neue industriepolitische Agenda für Europa und nachhaltige Entwicklung beziehen. Seit der letzten Mitteilung wurden jedoch nur begrenzte und überwiegend reaktive Schritte unternommen: z. B. die Neufassung statt einer Überarbeitung der EBR-Richtlinie, die Schaffung des Europäischen Fonds für die Anpassung an die Globalisierung oder zuletzt der Vorschlag bezüglich Branchenräten für Beschäftigung und Kompetenzen. Die Arbeitnehmer werden noch immer durch die Antizipierung und Bewältigung der Auswirkungen von Unternehmensentscheidungen unfair belastet.

Die Gewerkschaften haben die andauernde Veränderung als ein Merkmal eingebunden, das in ihren täglichen Aktionen zunehmend präsent ist, um eine gewisse Leistungsfähigkeit in den europäischen Tätigkeitssektoren beizubehalten und in einem globalen Markt wettbewerbsfähig zu bleiben. In einem rechtlichen Vakuum haben sich etliche multinationale Unternehmen und ihre Arbeitnehmer dafür entschieden, Verträge über die Antizipierung des Wandels auszuhandeln. Diese individuellen transnationalen Verträge decken jedoch unterschiedlichste Themen ab und es fehlt ein rechtlicher Rahmen, der ihre Anwendung sicherstellt, weshalb diese vom Entgegenkommen der Partner abhängig sind. Die Geschwindigkeit, mit welcher die Unternehmensleitungen ihre Verpflichtungen aus solchen Verträgen in den vergangenen Monaten aufgegeben haben (z. B. bei GM oder ArcelorMittal), ist ein Beweis für deren Schwäche.

Während es sich dabei um eine Strategie handelt, die für größere Unternehmen mit einer ausgeprägten Kultur der Arbeitsbeziehungen verfügbar ist, können diese Verträge keinen Rahmen für den Umgang mit den allgemeinen Auswirkungen der Umstrukturierungen im öffentlichen Sektor und der stillen Umstrukturierung in KMU im Rahmen größerer Lieferketten und regionaler Wirtschaften bieten.

Diese Realität und bewährte Praktiken für den Umgang mit diesen Problemen auf nationaler Ebene wurden in mehreren aufeinanderfolgenden Projekten des sozialen Dialogs über Umstrukturierungen in der EU27 sowie in mehreren, von der Kommission organisierten Umstrukturierungsforen und in eigenen Projekten des EGB und der nationalen Gewerkschaften untersucht. Zwar gibt es umfangreiche Literatur und zahlreiche Fallstudien, es mangelt aber am politischen Willen, Lehren daraus zu ziehen und in die Praxis umzusetzen.

Es hat genügend Evaluierungen bewährter Praktiker gegeben – jetzt ist die Zeit zum politischen Handeln!

Zehn Jahre nach der ersten Anhörung der Sozialpartner zu diesem Thema, in der die Schwächen und Schlupflöcher in den EU-Vorschriften bereits benannt wurden, fordert der EGB strenge Maßnahmen der EU, um die Antizipierung des Wandels am Arbeitsplatz proaktiv zu verbessern und die rechtlichen Rahmenbedingungen einer Umstrukturierung zu verbessern.

Nach Ansicht des EGB sind die folgenden 5 Elemente für EU-Maßnahmen zur Antizipierung und Bewältigung von Veränderungen und Umstrukturierungsprozessen von entscheidender Bedeutung:

Arbeitnehmer vorbereiten und befähigen: die entscheidende Rolle von Aus- und Fortbildung

Gleicher Zugang zu Aus- und Fortbildung ist entscheidend, um auf die sich verändernden Bedingungen und Ziele der Bürger einerseits und die Bedürfnisse des Arbeitsmarktes andererseits zu reagieren. Der EGB ist der Auffassung, dass alle Arbeitnehmer gleichen Zugang zu Aus- und Fortbildung auf allen Ebenen haben sollten, unabhängig von Alter, Geschlecht, Beschäftigungsstatus oder Nationalität; das gilt insbesondere für Gruppen mit niedriger Beteiligung wie gering Qualifizierte, ältere Arbeitnehmer und solche mit Zeit- oder Teilzeitverträgen, damit diese ihre Kenntnisse, Fähigkeiten und Kompetenzen während ihres gesamten Lebens erwerben, aktualisieren und entwickeln können (z. B. durch individuelle Ausbildungspläne und Bildungskonten).

Diejenigen Arbeitnehmer, die geschult werden müssen, sollten nicht diejenigen mit den geringsten Aussichten auf eine solche Maßnahme sein. Der EGB fordert die EU auf, diesen Zugang mit einem Recht des Arbeitnehmers auf Schulung zu untermauern. Ein Rahmen für den Wandel muss Instrumente aufgreifen, die über einen starken Sozialdialog über Personalplanung und Mehrjahrespläne für Beschäftigung und die Entwicklung von Fähigkeiten im öffentlichen Sektor, in den Unternehmen und in den Wirtschaftssektoren auf künftigen Fähigkeiten und die Verbesserung von Fähigkeiten fokussiert.

Der EGB ist der Meinung, dass Arbeitgeber und vor allem KMU Initiativen des lebenslangen Lernens unterstützen sollten, indem sie das Lernen während der Arbeitszeit besser zugänglich machen und auf die Bedürfnisse der Arbeitnehmer abstimmen, entweder durch die Individualisierung von Lehrplänen, die Verlagerung hin zu kompetenzbasiertem Lernen, die Umstellung auf die Modularisierung der Inhalte oder durch den Einsatz von Fernunterricht. Der EGB ruft die Mitgliedstaaten und Arbeitgeber auf, in Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zu investieren und die Ausgaben pro Mitarbeiter für berufliche Erstausbildung und Weiterbildung, insbesondere zur Unterstützung junger Menschen beim Eintritt in den Arbeitsmarkt (durch eine Europäische Jugendgarantie) zu erhöhen und die entlassenen Arbeitnehmer anderweitig wieder einzusetzen (EGB-Entschließung vom Dezember 2010: http://www.etuc.org/a/8067).

Arbeitsplätze erhalten und schaffen: die entscheidende Rolle der Industriepolitik

Eine stärkere und nachhaltigere europäische industriepolitische Agenda, die durch signifikante öffentliche und private Investitionen Arbeitsplätze in den Bereichen FuE, Innovation und Infrastruktur schafft und erhält mit dem Ziel, einen strategischen Ansatz zu entwickeln, der über die Stärkung der Rahmenbedingungen hinausgeht und stattdessen eine auf den Lebenszyklus bezogene Denkweise und die Notwendigkeit, ökologische Schlupflöcher zu schließen, unterstützt und dabei die Entwicklung und Verbreitung von ökoeffizienten Technologien fördert, die Entwicklung von Märkten für nachhaltige Waren und Dienstleistungen begünstigt und die Industrie auf eine höhere Energie- und Ressourceneffizienz vorbereitet (EGB-Entschließung vom April 2011 http://www.etuc.org/a/8682).

Arbeitnehmern eine Stimme geben und an strategischen Entscheidungen beteiligen: die entscheidende Rolle von Unterrichtung, Anhörung und Mitbestimmung

Die Stärkung der Arbeitnehmerrechte auf Unterrichtung, Anhörung und Mitbestimmung ist von entscheidender Bedeutung. Die Arbeitnehmervertreter und Gewerkschaften sollten nicht nur als Mittel zur Sicherung der Akzeptanz von Veränderungen gesehen und im Falle von Umstrukturierungen einbezogen werden. Eine Agenda für Antizipation erfordert konsequenten Dialog, den Aufbau von gegenseitigem Vertrauen und ein Modell der Corporate Governance mit verstärkten Mitspracherechten der Arbeitnehmer bezüglich der Unternehmensstrategien. Eine stärkere Beteiligung der Arbeitnehmer an strategischen Unternehmensentscheidungen ist vonnöten, die häufig auf europäischer oder internationaler Ebene getroffen werden.

Dazu benötigt es eine ehrgeizige europäische Industriepolitik und Corporate-Governance-Agenda, um den Arbeitnehmervertretern auf betrieblicher Ebene zu Fragen bezüglich Investitionen, Produktion, Innovation, FuE-Ausgaben sowie des allgemeinen Wirtschafts-, Sozial- und Umweltmanagements des Unternehmens Mitsprache zu ermöglichen. Die aktuelle Krise muss als Chance angesehen werden, die Arbeitnehmerbeteiligung zu stärken, um den langfristigen Erhalt und die Nachhaltigkeit europäischer Arbeitsplätze zu fördern.

Das Recht auf Unterrichtung, Anhörung und Mitbestimmung bei Umstrukturierungen und Eigentümerwechsel muss verbessert werden, um den Arbeitnehmern eine angemessene „Stimme" und den Gewerkschaften die Möglichkeit zu verschaffen, in ihrem Namen über faire Lösungen zu verhandeln. Dieser Prozess sollte „in einem Kontext der stetigen Harmonisierung" nach oben erfolgen. Bestehende gesetzliche Instrumente zur Unterrichtung, Anhörung und Mitbestimmung müssen in vollem Umfang respektiert und umgesetzt werden und es sind Maßnahmen zu ergreifen, um ihre Kohärenz zu gewährleisten. Arbeitgeber, die diese Instrumente nicht respektieren, sollten wirksam sanktioniert werden.

Bei Fusionskontrollverfahren sollte die GD Wettbewerb auf der Basis verschiedener Aspekte der Arbeitnehmerbeteiligung entscheiden, insbesondere solcher, die sich auf die Beschäftigungs- und Industriepolitik beziehen. Dies bestätigt den Bedarf für eine bessere Interaktion zwischen den einschlägigen EU-Politiken bei der Gestaltung einer angemessenen Strategie zur Bewältigung von Umstrukturierungsprozessen. Darüber hinaus sollten Regeln für die Unternehmensführung die Unabhängigkeit des Managements sicherstellen, um eine Überbetonung der kurzfristigen Forderungen der Aktionäre zu vermeiden (siehe Entschließung vom Dezember 2011: http://www.etuc.org/a/9425).

Europäische gesetzliche Rahmenbedingungen sicherstellen: die entscheidende Rolle der Tarifverhandlungen

Die Schaffung eines europäischen Rechtsrahmens für transnationale Tarifverhandlungen und –verträge auf Unternehmens- oder sektoraler Ebene, der die Verhandlungskompetenz der Gewerkschaften respektiert, um Unternehmen des öffentlichen und privaten Sektors und Sektoren darin zu unterstützen, Probleme wie Arbeitsorganisation, Beschäftigung, Arbeitsbedingungen und Schulung zu bewältigen (EGB-Entschließung http://www.etuc.org/a/1847).

Ein Sicherheitsnetz schaffen: die entscheidende Rolle aktiver Arbeitsmarktpolitik sowie Sozialschutz- und Unterstützungsmaßnahmen

Ein Rahmen für Umstrukturierungen muss jedenfalls Unterstützungsmechanismen für Arbeitnehmer einschließen, die Opfer des wirtschaftlichen Wandels geworden sind, sowie die Bedeutung und Rolle hochwertiger öffentlicher Dienstleistungen anerkennen. Diese Mechanismen müssen sowohl im Vorfeld des eigentlichen Umstrukturierungsprozesses und während des gesamten Prozesses eindeutig definiert werden. Der Prozess muss über einen angemessenen Zeitraum überwacht werden, um die Nachhaltigkeit der ergriffenen Maßnahmen zu analysieren. Diese Schritte sollten Bewertungen der Umstrukturierungspläne bezüglich Gesundheitsschutz und geschlechtsspezifischer Auswirkungen sowie eine aktive Suche nach Alternativlösungen zu Entlassungen, maßgeschneiderte Maßnahmen in den Bereichen Berufsberatung, Schulung, Unterstützung bei der Suche nach einem neuen Arbeitsplatz, Unterbringung in einem anderen Betrieb, Unterstützung bei der Schaffung neuer Aktivitäten mit Zugang zu den notwendigen Krediten sowie angemessenen sozialen Schutz in der Zeit der Arbeitslosigkeit und bei der Suche nach einem neuen Arbeitsplatz einschließen. All dies im Hinblick auf die Förderung ausgehandelter geografischer und beruflicher Mobilität in einem nicht-diskriminierenden Kontext bei gleichzeitiger Vermeidung von Brain-Drain zwischen den Ländern. Diese Maßnahmen sollten von den Strukturfonds der EU kofinanziert werden (EGB-Entschließungen http://www.etuc.org/a/9510).