EU-Parlament - Hilflos gegen die Finanzlobby

ARTIKEL von Thorsten KNUF, erschienen in der FRANKURTER RUNDSCHAU

22.06.2010

Brüssel. Das EU-Parlament will mit einer ungewöhnlichen Aktion die Macht der Banken- und Finanzlobby in Europa brechen. In einem fraktionsübergreifenden Aufruf fordern zwei Dutzend Abgeordnete die Repräsentanten der Zivilgesellschaft auf, "eine oder mehrere Nichtregierungsorganisationen" als Gegenmacht zu den Interessenvertretungen der Finanzbranche zu gründen. Der Mangel an Gegen-Expertise sei eine "Gefahr für die Demokratie", schreiben die Autoren.


Zu den Erst-Unterzeichnern des Aufrufes zählen unter anderem die deutschen Abgeordneten Udo Bullmann (SPD), Burkhard Balz (CDU), Sven Giegold (Grüne) und Jürgen Klute (Linke). Die Parlamentarier beklagen, dass sich Finanzwelt und Politik in Europa und den USA bisher sehr nahe stünden.

Dies bedeute nicht zwangsläufig, dass die Politik stets die Interessen des Geldgewerbes vertrete. Die Verflechtung trage jedoch "zu einer stärkeren und einseitigen Berücksichtigung der Belange des Finanzsektors bei und schränkt mit Sicherheit die Fähigkeit der politisch Verantwortlichen ein, unabhängige Entscheidungen zu treffen."

Gegen-Expertise zur Industrie


Die Lobby-Arbeit einer Gruppe müsse durch Stellungnahmen anderer ausgeglichen werden. Weiter heißt es, in Sachen Umweltschutz oder Gesundheit hätten Nichtregierungsorganisationen längst eine echte Gegen-Expertise zur Industrie entwickelt.

Das gleiche gelte im Bereich Soziales für Gewerkschaften und Arbeitgeber. "Diese Gegenüberstellung ermöglicht Abgeordneten, widerstreitende Argumente anzuhören." Es sei jetzt an unabhängigen Organisationen, Gewerkschaften, Wissenschaftlern und Denkfabriken, auch ein Gegengewicht zur Finanzlobby zu bilden.

Wie in Brüssel zu hören ist, seien die Europa-Parlamentarier zurzeit einem extrem starken Lobbydruck der Finanzbranche ausgesetzt. Seitdem das Thema Finanzmarktregulierung auf der Ebene der EU und der zwanzig wichtigsten Industrie und Schwellenländer (G20) verstärkt diskutiert wird, hätten die Interessenvertreter von Banken, Versicherungen und Fonds ihre Aktivitäten gegenüber dem europäischen Gesetzgeber vervielfacht.

Die Abgeordneten täten sich schwer, dem etwas entgegen zu setzen. Dabei mache sich auch negativ bemerkbar, dass das EU-Parlament über keinen eigenen wissenschaftlichen Dienst verfügt.

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