Wirtschaftsausschuss stellt sich hinter Klute-Bericht

Rechte von Bankkunden und Kontolosen gehören nicht auf die lange Bank

26.11.2013
Hanna Penzer

Belgien hat es, Italien hat es, Schweden hat es. In der Bundesrepublik wurde in den letzten Jahren immer wieder viel und folgenlos darüber diskutiert. Die Rede ist vom Verbraucherrecht aufs Girokonto und mit dem unter Schäuble praktizierten Aussitzen dürfte es bald vorbei sein! Trotz Ermahnungen vonseiten der EU-Kommission hat neben der Bundesrepublik die Mehrzahl der EU-Staaten nichts unternommen[1], um ihren Bürgern den Zugang zu zeitgemäßen Zahlungsdiensten wie Überweisungen, Kartenzahlungen oder Geldabhebungen am Geldautomaten zu garantieren. Nach Schätzungen der Weltbank haben deshalb heute noch immer 58 Millionen EU-Bürger kein Konto.

Für den Wirtschafts- und Währungsausschuss wurde Jürgen Klute 2011 zum Berichterstatter für den Zugang zu Zahlungsdienstleistungen benannt. Aus seiner Zeit als Sozialpfarrer des Kirchenkreises Herne und Leiter der dortigen Schuldnerberatungsstelle kennt er die Probleme, die das Leben ohne Girokonto[2] mit sich bringt. Nach zwei Jahren Verhandlungen und Überzeugungsarbeit für seine Initiative stehen die Chancen für einen Durchbruch gut.

Im Juli 2012 hatte das EU-Parlament sich hinter seinen Initiativbericht[3] gestellt durch den die EU-Kommission zur Vorlage einer entsprechenden Richtlinie aufgefordert wurde. Binnenmarktkommissar Michel Barnier hat der Forderung des Parlaments am 8. Mai 2013 Folge geleistet und seinen Entwurf für die „Richtlinie über die Vergleichbarkeit von Zahlungskontogebühren, den Wechsel von Zahlungskonten und den Zugang zu Zahlungskonten mit grundlegenden Funktionen[4]" (kurz: „Zahlungskonten-Richtlinie") vorgelegt.

Nach sechs Monaten Arbeit an der Kommissionsvorlage und Kompromissverhandlungen mit den Finanzpolitikern des Parlaments hat der Ausschuss am vergangenen Montag grünes Licht für die Richtlinie gegeben und den Weg zur Verabschiedung der Parlamentsposition durch das Parlamentsplenum freigemacht. Danach bleiben drei weitere Monate, um noch in diesem Mandat eine Einigung mit dem Ministerrat zu finden.

Auf welche Kernpunkte haben sich die Parlamentarier bisher konkret geeinigt? Neben dem Zugang zu Basiskonten sieht der Vorschlag der Kommission auch vor, Verbrauchern den Vergleich von Kontogebühren und den Wechsel der Bank zu erleichtern. Alle drei Elemente zielen darauf, Verbraucher zu stärken und den Wettbewerb um kostengünstige und verbraucherfreundliche Angebote zu verbessern.

Die wichtigste Verschärfung der Richtlinie betrifft die Frage, wer Basiskonten „für alle" anbieten muss. Während die Kommission vorschlägt, dass mindestens eine Bank pro Mitgliedsland verpflichtet werden muss, wollen die Abgeordneten alle Geschäftsbanken gleichermaßen in die Pflicht nehmen. Nach Ansicht der Parlamentarier sollen Basiskonten kostenfrei oder zumindest kostengünstig sein. Nicht durchsetzen konnte sich der Berichterstatter mit der Forderung an die Mitgliedsstaaten, die Gebühren für Basiskonten verbindlich zu deckeln. Ein weiterer Erfolg: Während die Kommission vorsah, dass alleine Verbraucher ohne Konto Anspruch auf ein Basiskonto haben sollten, wird nun klar gestellt, dass Verbrauchern grundsätzlich der Wechsel von einem regulären Konto auf ein gesetzlich reguliertes Basiskonto möglich sein muss.

Worum geht es bei der besseren Vergleichbarkeit von Kontogebühren? Ob bei Geldabhebungen im Ausland oder bei der Überziehung des Kontos – Immer wieder werden Bankkunden von unerwartet hohen Gebühren überascht. Verbraucherverbände kritisieren die Gebührenstrukturen für Girokonten als unübersichtlich und verwirrend. Verbraucher, die sich nach günstigeren Angeboten umsehen, erleben, dass Banken für haargenau dieselben Dienste unterschiedliche Begriffe verwenden. Die Kommission will diesem Spiel ein Ende bereiten und Banken dazu verpflichten, standardisierte Begriffe zu verwenden.

Ebenfalls einheitlich gestaltet werden sollen Gebührenaufstellungen, die Verbraucher vor Abschluss eines Vertrags sowie einmal jährlich danach erhalten. Während die Kommission lediglich vorsah, Gebühren für Zahlungsdienste auf diese Weise vergleichbarer zu machen, fordert der Klute-Bericht auch Strafgebühren und Zinssätze zu erfassen. Daneben will das Parlament klarstellen, dass Banken keine Gebühren erheben dürfen, die nicht in den Stand-Informationen aufgeführt werden.

Schließlich sollen Verbraucher in jedem Land auf mindestens eine Vergleichswebsite zugreifen können, die ihnen die Suche nach einem passenden Konto erleichtern soll.

Der Klute-Bericht sieht verschiedene Verbesserungen vor: Das Parlament will die Unabhängigkeit solcher Vergleichsseiten von Zahlungsdienstleistern umfassend gesichert sehen. Außerdem sollen Verbraucher die Möglichkeit haben, neben Gebühren auch Zinssätze und Qualitätsstandards vergleichen zu können – kostenfrei.

Ein weiterer Schwerpunkt der Richtlinie betrifft die Vereinfachung von Konto-Wechseln. Verbraucher, die künftig ihr Konto bei einem neuen Anbieter einrichten wollen, sollen es nach Vorstellung der Kommission einfacher haben. Einziger Anlaufpunkt für den Kontowechsel soll die neue Bank sein, die Zahlungen direkt umleiten soll und Arbeitgeber, Vermieter usw. auf Wunsch über die neuen Daten informieren soll. Ebenso wichtig: Die abgebende Bank wird zur effektiven Zusammenarbeit verpflichtet und darf die Schließung des alten Kontos nicht hinauszögern. Innerhalb von weniger als drei Wochen soll ein Kontowechsel abgeschlossen sein.

Unter besonderem Störfeuer der Industrie steht insbesondere der Vorschlag der Kommission, auch grenzüberschreitende Kontowechsel zu vereinfachen. Die Position der Finanzpolitiker des Parlaments sieht vor, dass in einem ersten Schritt der Kontowechsel-Service im SEPA-Raum bis 2017 stehen soll. Die Mitgliedsländer wollen nach aktuellem Stand keine Vereinfachungen beim grenzüberschreitenden Kontowechsel.

Probleme bei der Einrichtung eines neuen Kontos machen Verbrauchern aber nicht alleine unkooperative Banken. Für Unsicherheit sorgen meist Stromanbieter, Vermieter oder Vereine, die die Einträge in ihren Datenbanken nicht rechtzeitig umstellen. Das Parlament fordert die Kommission deshalb auf, die Einführung übertragbarer Kontonummern oder zumindest eines automatisierten Umzugsservices auf den Weg zu bringen. Die Idee hinter einem „Konto-Umzugsservice" wie er bereits in den Niederlanden und in Großbritannien angeboten wird, besteht in der automatischen Umleitung von Zahlungen, die innerhalb eines Jahres auf das alte Konto eingehen.

Brüssel, 26.11.2013

MEHR ZUM THEMA

  • TEXT DES PARLAMENTSBERICHTS[5]
  • VIDEO MIT FRAGEN UND ANTWORTEN ZUM THEMA:

Links:

  1. http://ec.europa.eu/internal_market/finservices-retail/docs/inclusion/swd_2012_249_en.pdf
  2. http://www.freitag.de/autoren/klute/weil-es-ohne-nicht-mehr-geht
  3. http://www.europarl.europa.eu/sides/getDoc.do?pubRef=-//EP//TEXT+REPORT+A7-2012-0197+0+DOC+XML+V0//DE&language=de
  4. http://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/LexUriServ.do?uri=COM:2013:0266:FIN:DE:HTML
  5. http://www.europarl.europa.eu/sides/getDoc.do?pubRef=-//EP//TEXT+REPORT+A7-2013-0398+0+DOC+XML+V0//EN&language=de
Wirtschaftsausschuss fordert EU-weiten Rechtsanspruch aufs Girokonto