Freihandelsabkommen EU-USA: Das große Besteck

BEITRAG von KARSTEN PETERS

23.06.2013

Zwar bemühen sich die Verhandlungsführer des Rates ebenso wie Frankreichs, den gefundenen Kompromiss für das Verhandlungsmandat zum Freihandelsabkommen EU-USA (Transatlantic Trade and Investment Partnership, TTIP) als Erfolg zu verkaufen, de facto kann aber die Ausnahme des Kulturbereichs aus dem Freihandel zurückgenommen werden, wenn Rat und Kommission dem zustimmen. Fundierte Kritik ist aus den Reihen der Regierungschefs mit keiner Silbe zu hören und auch das Europäische Parlament hält sich mit deutlichen Forderungen vornehm zurück. Ausgestattet mit dem jetzt verabschiedeten Verhandlungsmandat kann die EU-Kommission die Beratungen zum TTIP nun aufnehmen.

Klare Gegenpositionen kommen dagegen von zahlreichen NGOs: Am Montag veröffentlichten 22 Organisationen, unter ihnen Attac, die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft, der BUND, WEED die katholische Landjugend und viele andere ein Positionspapier, in dem sie ein deutlich anderes Verhandlungsmandat fordern. Wie die Erfahrung aus anderen, ähnlich gelagerten Handelsabkommen zeigten, drohe die jeweils schwächere Regulierung in den verschiedensten Bereichen zur Richtschnur zu werden.

Das könnte zum Beispiel bedeuten, dass gentechnisch veränderte Lebensmittel in der EU ohne besondere Kennzeichnung auf die Märkte kommen, dass Arbeits- und Sozialstandards in der EU weiter abgebaut werden und ökologisch wichtige, im Vergleich zu den USA relativ starke Vorschriften wie die europäischen Nachhaltigkeitsstandards zu Biokraftstoffen noch weiter verwässert würden.

Die Initiative fordert einen offenen, demokratisch rückgekoppelten Prozess anstelle der Verhandlungen hinter verschlossener Tür. "Es braucht eine breite öffentliche Diskussion um ein soziales und ökologisches Verhandlungsmandat auf beiden Seiten."

Ifo-Institut: Freihandelsabkommen verringert Chancen für andere Handelspartner

Kritik kommt indes auch von ungewohnter Seite. Laut einem Bericht des Handelsblatts stellt das Ifo Institut für Wirtschaftsforschung aus München in einer Studie fest, dass durch das Handelsabkommen traditionelle Partner der USA ins Hintertreffen geraten könnten: in Kanada, so die Berechnungen, würde das Pro-Kopf-Einkommen um 9,5 Prozent sinken, in Mexiko um 7,2. Ansonsten sieht das wirtschaftsfreundliche Institut das angestrebte Abkommen ausgesprochen positiv.

Unterdessen hat Kommissionspräsident Jose Manuel Barroso in einem Interview mit der US-Zeitung International Herald Tribune scharfe Kritik an Frankreich geübt. Europa müsse reaktionäre Opposition gegen die Globalisierung vermeiden, erklärte der Portugiese mit Blick auf die Ausnahme des Kulturbereichs aus dem Verhandlungsmandat für das Freihandelsabkommen. Ein Sprecher der Kommission versuchte am Montag die Äußerungen seines Chefs abzufedern: Barroso haben den französischen Präsidenten Hollande nicht als reaktionär bezeichnen wollen, die Kommission sei lediglich der Ansicht, dass manche Länder sich ändern müssten, um global player zu bleiben.

Für die EU führt die Europäische Kommission die Verhandlungen weitgehend unabhängig, lediglich basierend auf dem vom Rat festgelegten Mandat. Offiziell kommen die Parlamente erst nach Abschluss zu Wort, das Europäische Parlament und die Parlament der Mitgliedsstaaten können dann nur noch zustimmen oder ablehnen.

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