Seelsorge in Spannung mit neoliberaler (Wirtschafts)Politik

Vortrag auf der Konferenz der katholischen Seelsorge bei den Justizvollzugsanstalten in der Bundesrepublik Deutschland "Neoknast – Justizvollzug und Seelsorge in einer sich radikal wandelnden Gesellschaft"

05.10.2004
Jürgen Klute

Ihnen einige Einschätzungen zum Verhältnis von Seelsorge und neoliberaler (Wirtschafts)Politik darzu- legen und zur Diskussion zu stellen, ist mein Anliegen bzw. meine Aufgabe hier und heute.

Der genaue Titel meines Vortrags heißt "Seelsorge in Spannung mit neoliberaler (Wirtschafts)Politik". Er unterstellt also ein gespanntes Verhältnis zwischen Seelsorge und gegenwärtiger Wirtschaftspolitik.

Was diese Spannungen ausmacht, will ich im folgenden darlegen und zur Diskussion stellen.

Zunächst aber gestatten Sie mir eine Anmerkung zum Begriff "Neoliberalismus". Dieser Begriff wird in der gegenwärtigen Diskussion um Globalisierung und im Streit um die richtigen wirtschaftspolitischen Weichenstellungen im Kontext der Agenda 2010 gern und oft benutzt. Eine strenge wissenschaftliche Definition des Begriffs ist hingegen nur schwer zu finden – wenn überhaupt. Der Begriff Neoliberalis- mus bezeichnet eher eine Komposition bestimmter ökonomischer Grundüberzeugungen, die in den letz- ten Jahren mehr und mehr in die politische Gestaltung unserer Gesellschaft eingedrungen sind und die mittlerweile ihre Folgen zeitigen. Ich beziehe im folgenden den Begriff "Neoliberalismus" auf diese Grundüberzeugungen und auf die erkennbaren Wirkungen ihrer Durchsetzung im sozialen Leben unserer Gesellschaft.

Die so genannte neoliberale Wirtschaftspolitik versteht sich als Alternative und Ablösung einer Keynesi- anischen Wirtschaftspolitik, die bis in die 1970er Jahre hinein die Wirtschaftspolitik in der BRD prägte. Keynes hat den Fokus auf die Nachfrageseite gerichtet, also auf die Kundenseite. In der Stärkung der Kaufkraft der Kunden sah Keynes einen wesentlichen Motor der Wirtschaftsentwicklung. Etwas plakativer formuliert: Je mehr Geld - also Kaufkraft - möglichst breit gestreut in den Händen der Bevölkerung ist, um so mehr wird gekauft und um so mehr kann bzw. muss produziert werden. Die Löhne und Gehälter werden aus dieser Perspektive weniger als Kosten, denn als Kaufkraft wahrgenommen. Ebenso werden aus dieser Perspektive die staatlichen Ausgaben primär als Stärkung der Kaufkraft und nicht als Kostenfaktor verstanden. Dazu gehören neben den Ausgaben für öffentliche Verwaltungen und Transferleistungen die Ausgaben für Bildung, Kultur, öffentliche Infrastruktur und Daseinsvorsorge sowie sozia- le Arbeit.

In Abgrenzung zur keynesianischen Nachfragepolitik lässt sich neoliberale Wirtschaftspolitik am griffigsten beschreiben: Neoliberale Wirtschaftspolitik hat sich der Stärkung der Angebotsseite verschrieben, also der Wirtschaftsseite.

Dreh- und Angelpunkt neoliberaler Wirtschaftspolitik ist die Kostenfrage. Während die Grundmelodie der Keynesianer lautet "die Stärkung der Kaufkraft fördert die Wirtschaft", heißt die Grundmelodie neo- liberaler Wirtschaftspolitik "die Senkung der Kosten fördert die Wirtschaft".

Ich nehme an, diese Melodie ist ihnen aus ihrer alltäglichen Arbeit nicht unbekannt.

Im veröffentlichen Diskurs in den Medien ist diese Grundmelodie zu einer recht eingängigen volkstümlichen Komposition ausgebaut worden. Mit der Regelmäßigkeit, wie man sie sonst nur noch von kirchlichen Gottesdienstfeiern kennt, bringt Frau Christiansen diese Komposition in ihrer allsonntäglichen Talksendung für die Republik zum klingen.

DER KOMPLETTE VORTRAG STEHT IHNEN HIER ZUM DOWNLOAD ZUR VERFÜGUNG!

Waldfischbach (Haus Maria Rosenberg), 5. Oktober 2004

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