Breite Debatte über ein demokratisches Europa herbeiführen - gegen die Abschottung der Lissabon-Entscheidung!

PRESSEMITTEILUNG von JÜRGEN KLUTE

20.08.2009

Die Parteien der großen Koalition scheinen es eilig zu haben, eine These von Hegel und Marx zu bewahrheiten: Die großen Tatsachen ereignen sich immer zwei Mal. Einmal als Tragödie, einmal als Farce.

"Eine Tragödie ist es, dass die Idee der europäischen Einigung, gewachsen auf den Trümmern zweiter Weltkriege, aktuell von einer Dominanz des neoliberalen Wirtschafts- und Politikmodells entstellt wird. Der Lissabon-Vertrag soll dieses auf unbestimmte Zeit festschreiben". Klute findet es nur zu verständlich, dass immer mehr Menschen deswegen mit Apathie und Ablehnung auf die Projekte der politischen Elite Europas reagieren. "Man kann die geringe Beteiligung an der EU-Wahl durchaus als eine Verweigerung gegenüber einer weiteren Stärkung einer ausschließlichen Wirtschafts-Union interpretieren. Diese Deutung stützt, dass die Beteiligung an den Volksabstimmungen in Frankreich, den Niederlanden und in Irland deutlich höher war. Hier haben die Bürgerinnen und Bürger offensichtlich die Chance genutzt, auszudrücken, was für eine EU sie nicht wollen", so der neu gewählte Europaabgeordnete.

Immerhin verpflichte das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Lissabon-Vertrag die Bundesregierung in EU-Angelegenheiten stärker auf das Votum des deutschen Bundestages. Hier jedoch erscheint die Farce: "Anstatt das Gerichtsurteil als Gelegenheit zu nehmen, eine breite Debatte über die Grundlagen der Europäischen Union zu führen, werden hier allerwichtigste Entscheidungen wieder hinter verschlossenen Türen und im Eilverfahren getroffen", kritisiert Klute das Vorgehen von Unionsparteien und SPD. "Wenn die Entschließungen des Bundestages für die Bundesregierung nicht rechtsverbindlich gemacht werden, bleibt ein großes Demokratie-Defizit bestehen". Es ginge der Großen Koalition offensichtlich darum, durch eine schnelle Verabschiedung des neuen Begleitgesetzes die anstehende zweite Volksabstimmung in Irland zu beeinflussen. Dafür hat Klute, der auch Bundesvorstandsmitglied der Linken ist, keinerlei Verständnis: "Die Regierungsparteien denken selber nicht einmal darüber nach, Volksabstimmungen zu EU-Vertragsveränderungen in Deutschland zu ermöglichen, obwohl diese Möglichkeit im Urteil des Bundesverfassungsgerichts benannt wird. Stattdessen wollen sie eine so wichtige Entscheidung zur Manipulation der irischen Bevölkerung missbrauchen". Die gesamte pro-europäische Linke sei deswegen aufgerufen, diesen Manipulationsversuch zu verhindern.

Der Lissabon-Vertrag habe faktisch die Bedeutung einer Verfassung. Dies ergebe sich aus der so genannten "Erklärung zum Vorrang" im Lissabon-Vertrag, in der es heißt, dass "die Verträge und das von der Union auf der Grundlage der Verträge gesetzte Recht im Einklang mit der ständigen Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union unter den in dieser Rechtsprechung festgelegten Bedingungen Vorrang vor dem Recht der Mitgliedstaaten haben". Daher dürfe die Verabschiedung des Vertrags nicht ohne Beteiligung der Bevölkerung vollzogen werden, so Klute weiter. "Eine Verfassung benennt die grundlegenden Rechte, sie formuliert die Menschenrechte und die Grundprinzipien, nach denen ein Staat, eine Gesellschaft funktionieren soll. Sie bildet das Vorzeichen zum Verständnis für alle unterhalb der Verfassung stehen Gesetze und Regelungen, und setzt die Spielregeln für unvermeidliche politische Konflikte". Jürgen Klute betont die Notwendigkeit, sich auf Grundlage einer breiten Debatte über diese dringend notwendige Rechtshierarchie in der Europäischen Union zu verständigen: "Nur im Rahmen einer solchen Rechtshierarchie ist es letztlich möglich, Menschenrechte und soziale Rechte, Rechte von Arbeitnehmern und Gewerkschaften auf Dauer durchzusetzen und gegen die Interessen der Kapitalbesitzer erfolgreich zu verteidigen".