Parlament berät über Finanzrahmen: Wenig Unterstützung für unseriösen Gipfelkompromiss zu erwarten

PRESSEMITTEILUNG von JÜRGEN KLUTE

17.02.2013
Zurück in die Zukunft? Regierungschefs wollen dem Integrationsprozess den Geldhahn zudrehen

Erstmals seit dem Haushaltsgipfel vom 8.2.2013 berät das EU-Parlament morgen wie es mit dem Kompromissvorschlag der Regierungschefs zum Mehrjährigen Finanzrahmen umzugehen gedenkt. Jürgen Klute, Haushaltsexperte der LINKEN erläutert, wieso er ein Scheitern des Finanzrahmens für wahrscheinlich hält:

„Das EU-Parlament ist mit dem Lissabon-Vertrag zum Mitentscheider über den EU-Haushalt geworden. In allen Fällen, in denen sich Rat und Parlament Letztentscheidungsbefugnisse teilen, beraten Unterhändler beider Institutionen über einen Kompromiss, der für beide Seiten tragbar ist. Nicht so bei der Mehrjährigen Finanzplanung (MFR): Die Regierungen der Mitgliedsländer waren nicht bereit, sich durch das Parlament in die Karten schauen zu lassen. Der nun vorliegende Gipfelkompromiss überschreitet dementsprechend gleich mehrere rote Linien des EU-Parlaments. Vor diesem Hintergrund spricht vieles für eine Ablehnung der unausgegorenen Sparpläne der Regierungen:

1. Die EU-Abgeordneten sind mehrheitlich nicht bereit, Rückschritte im Demokratisierungsprozess der Union hinzunehmen. Eine weitere Aushöhlung der EU-Verträge zugunsten der nationalen Regierungen wollen sie nicht hinnehmen.

2. Die Wortführer des Parlaments im Haushaltsstreit, Martin Schulz und Alain Lamassoure, aber auch EPP-Chef Joseph Daul haben eine wichtige Gemeinsamkeit: Keiner von ihnen gehört einer Partei an, die in Regierungsverantwortung eingebunden wäre.

3. Die EU-Staaten, die auf eine Zurückdrehung der europäischen Integration über den Geldhahn pochen, haben kein echtes Drohmittel. Scheitern die Verhandlungen über den Finanzrahmen, bleibt es beim Status Quo. Eine Kürzung des Haushalts wäre zunächst abgewendet.

4. Jenseits taktischer Machtspiele scheitert der Wunschhaushalt der Regierungen gegenüber der existenziellen Anforderung unserer Zeit: Die Eurokrise ist in allererster Linie eine Krise mangelnder Zusammenarbeit zur Eindämmung von Spekulation, Standortwettbewerb und Steuerdumping. Die Eurokrise ist eine politische Krise, die nur mit einem ‚Mehr' an Europa gelöst werden kann. Genau das Gegenteil dessen, was der Finanzrahmen des Rats vorsehen würde!

5. Der größte Skandal am Ratsvorschlag ist jedoch nicht sein mangelnder Ehrgeiz. Der Haushalt der EU ist bereits seit Jahren unterfinanziert. Die Verträge verbieten den EU-Institutionen jede Form der Verschuldung. Nach den Plänen des Rats würde die Union jedoch weiterhin Finanzierungszusagen eingehen, die ihre tatsächliche Finanzkraft deutlich überschreiten. Der Kommission bleibt in dieser Situation nichts anderes übrig, als Jahr für Jahr überfällige Zahlungen aufzuschieben. Nach den Berechnungen von Haushaltskommissar Lewandowski würde die Union auf der Grundlage der Ratspläne bis 2020 auf ein strukturelles Defizit von ca. 250 Milliarden EUR kommen. Vor diesem Hintergrund ist das Angebot des Rates, die Übertragung nicht verausgabter Restmittel auf das Folgejahr zuzulassen, nicht mehr als ein schlechter Witz. Die einzige seriöse Antwort, um ein Abdriften in eine europäische Defizitunion abzuweisen, bestünde in Kürzungen, die der MFR-Vorschlag des Rates unehrlicherweise nicht ausweist. Ein seriöser Vorschlag sieht anders aus!"

Brüssel, 17. Februar 2013