Drei Elemente für eine europäische Bankenregulierung

Bankenunion - Worum geht's?

27.11.2012
Jürgen Klute, Karsten Peters

Lange schon fordert das Europäische Parlament eine auf EU-Ebene verankerte Bankenaufsicht, die zumindest die im europäischen Maßstab systemrelevanten Institute schärfer im Blick behält, als eine nationale Aufsicht dazu in der Lage sein kann. Zunächst sollte die vor knapp zwei Jahren ins Leben gerufenen Europäische Bankenaufsicht (EBA) mit Sitz in London diese Aufgabe übernehmen, bei den zähen Verhandlungen mit dem Rat blieben die wesentlichen Aufsichtsrechte aber auf der Strecke.

Herausgekommen ist ein zahnloser Stubentiger: ein koordinierendes Gremium, das sich in weiten Teilen der Union mit relativ unnützen und wenig aussagekräftigen Stresstests in Misskredit gebracht hat. Dazu sei allerdings bemerkt, dass EBA und EZB die Stresstests gemeinsam ausgearbeitet haben, die EZB hat sich nur dezent zurückgehalten.

Seit dem Sommer wird nun wieder konkret über eine gemeinsame Aufsicht auf EU-Ebene diskutiert - diesmal national motiviert und also mit Aussicht auf Erfolg: Nachdem Direkthilfen für spanische Geschäftsbanken aus dem Europäischen Stabilitätsmechanismus ESM in Aussicht gestellt worden waren, forderte Kanzlerin Merkel mit eisernen Worten, dies sei mit ihr nur zu machen, wenn die entsprechenden Banken einer europäischen Aufsicht unterstehen. Ergebnis: Urlaubssperre bei EZB und Kommission, nach der Sommerpause lag das Konzept für eine europäische Bankenaufsicht vor.

Bankenunion: Aufsicht, Abwicklung, Einlagensicherung

Mit der Bankenunion soll verhindert werden, dass künftig Banken ganze Staaten in finanzielle Schwierigkeiten bringen können, wie es während der Krise an vielen Stellen geschehen ist. Damit wird endlich die Spirale aus Banken- und Staatsschuldenkrise unterbrochen werden. Finanziert werden die wesentlichen Elemente von den Banken selbst. Ein weiteres Ziel ist es, in Schieflage geratene Banken unter verschärfte Aufsicht zu stellen, wenn sie finanzielle Unterstützung erhalten - und sie im Zweifel ohne volkswirtschaftliche Risiken abwickeln zu können.

Diese Elemente sind neben einer gemeinsamen Aufsicht ein Abwicklungsmechanismus inklusive einem Abwicklungsfonds für Banken und eine europäische Einlagensicherung. Mit dem Abwicklungsmechanismus sollen die Voraussetzungen dafür geschaffen werden, dass zahlungsunfähige Banken kontrolliert abgewickelt werden können. Damit wird verhindert, dass der Steuerzahler weiterhin dafür gerade stehen muss, wenn Institute in Schieflage geraten, weil ein Konkurs das gesamte Wirtschaftssystem in Gefahr bringen könnte.

Das Einlagensicherungssystem soll zusätzlich zu den bestehenden national organisierten Einlagensicherungen eingeführt werden - dieses System ist allerdings nicht zu verwechseln mit dem bereits bestehenden Einlagensicherungssystem, das auf nationaler Ebene organisiert, aber für die EU harmonisiert ist: Vor nunmehr neun Monaten hat das EU-Parlament den Vorschlag der Kommission für die Anpassung der nationalen Einlagensicherung massiv überarbeitet, seither wartet das Parlament, dass der Rat als zweite Kammer der europäischen Gesetzgebung zu dieser Überarbeitung Stellung bezieht.

Der Vorschlag sieht im Wesentlichen vor, dass Sparguthaben einheitlich in der EU bis 100.000 Euro gesichert sind. Die zusätzliche, im Rahmen der so genannten Bankenunion diskutierte Einlagensicherung soll greifen, wenn die national geregelte Einlagensicherung nicht ausreichen würde, um die Einlagen bei einer in Bedrängnis geratenen Bank sicherzustellen. Wahrscheinlich - das Vorhaben ist noch in Vorbereitung - würde aber auch in diesem Fall zuerst die nationale Sicherung bis zu ihrer Belastungsgrenze greifen, ehe die europäische einspringt.

Auch diese Konstruktion soll verhindern, dass Staaten künftig von Banken erpresst werden können. Würde im gegenwärtigen System eine Großbank zahlungsunfähig, so wäre das nicht nur für die Wirtschaft schlimm, sondern auch für die Sparkunden der Bank: Bei großen Banken dürfte das nationale Sicherungssystem kaum ausreichen, um die Deckung aller Sparguthaben bis 100.000 Euro zu garantierten - der Staat müsste eingreifen. Bislang liegt für das europäische Einlagensicherungssystem und für den Abwicklungsmechanismus aber nichts Konkretes vor, so dass alles Weitere hierzu im Moment reine Spiegelfechterei wäre.

Aus der Werkstatt: Kompromissverhandlungen zur einheitlichen Bankenaufsicht in der EU

Der schon erwähnte Kommissionsvorschlag zur Bankenaufsicht besteht aus zwei Vorschlägen. Die Kernpunkte in Kürze: Einrichtung einer europäischen Aufsicht über Banken, aller Wahrscheinlichkeit nach bei der EZB. Diskutiert wird zur Zeit, ob das EP sich dafür stark macht, dass die EZB letztlich für die Aufsicht über alle Banken verantwortlich ist, dieses Mandat für kleinere Banken aber an nationale Aufsichten delegiert. Relativ unstrittig ist die Einrichtung einer Aufsicht über systemrelevante Banken und über Banken, die in der EU über nationale Grenzen hinweg tätig sind. Zudem sollen Banken, die mit öffentlichen Mitteln unterstützt werden, zentral beaufsichtigt werden.

Unsere Forderungen: Die LINKE im Europäischen Parlament macht sich stark für ein differenziertes Modell, das die Besonderheiten verschiedener Geschäftsmodelle berücksichtigt - gedacht ist hier unter anderem an die deutschen Sparkassen und Genossenschaftsbanken. Zudem sollte eine europäische Aufsicht nur dann für regional tätige Institute zuständig sein, wenn die nationale Aufsicht ihrer Aufgabe nicht nachkommt.

Um das festzustellen, sollte ein regelmäßiger Austausch zwischen den nationalen Behörden und der europäischen Aufsicht eingerichtet werden. Wir fordern ein Austeritätsprogramm für Banken statt für Staaten: Banken, die in Finanznöten stecken, öffentliche Unterstützung erhalten und deshalb unter die europäische Aufsicht fallen, müssen auf die Einhaltung hoher Standards verpflichtet werden. Banken, die zu groß zum Scheitern sind, nach und nach auf handhabbare Größe geschrumpft.

Da die Einrichtung einer Bankenaufsicht bei der Europäischen Zentralbank mit besonderen juristischen Problemen behaftet ist präferiert die LINKE die Einrichtung einer Aufsicht unter dem Dach der Europäischen Bankenaufsicht EBA, die dem Europäischen Parlament voll rechenschaftspflichtig wäre. Da dieses Modell aber zur Zeit politisch kaum durchsetzbar ist, dringen wir darauf, die EBA mit in das Gremium der Aufsichtsbehörden aus EZB und nationalen Aufsichten einzubinden.

Der EBA käme damit die Aufgabe zu, die Aufsicht zu koordinieren und Leitlinien zu erarbeiten. In diesem Zusammenhang ist es natürlich erforderlich, dass sowohl EBA als auch EZB für ihre Aufsichtstätigkeit dem Parlament rechenschaftspflichtig sind. Grundsätzlich begrüßen wir eine deutlich verschärfte Bankenaufsicht, da die Erfahrung gezeigt hat, dass in vielen Ländern - inklusive in Deutschland - Aufsichtsmechanismen unzureichend funktioniert haben. Ansonsten wäre es jetzt wohl kaum notwendig, eine Landesbank nach der anderen aus dem Sumpf giftiger Finanzinstrumente zu befreien.

Trotz aller guten Argumente für eine gemeinsame europäische Bankenaufsicht verbergen sich im gegenwärtigen Konzept zahlreiche Risiken: Da Bundeskanzlerin Angela Merkel als Bedingung für eine direkte Refinanzierung von Banken aus dem europäischen Rettungsfonds gefordert hat, dass diese Banken unter europäische Aufsicht gehören, wurde in aller Eile ein Konzept aus dem Boden gestampft, das binnen sechs Monaten eine europäische Bankenaufsicht geschaffen werden soll.

Dass sich dabei Regulierungslücken ergeben, liegt auf der Hand. Ein wichtiger Bestandteil der jetzt verhandelten Pakete muss also eine klare Revisionsklausel sein, die nach spätestens zwei Jahren mögliche Lücken im System schließt. Denn das Letzte, was jetzt gebraucht wird, ist eine übereilte Lösung, die zu weniger statt mehr Aufsicht führt.

Mehr zum Thema:

  • Kommissionsvorschlag[1] zur gemeinsamen Bankenaufsicht (pdf, deutsch)
  • Änderungsanträge im Europäischen Parlament, Datei 1[2], Datei 2[3], Datei 3[4], Datei 4[5], Datei 5[6] (alles pdf-Dateien, deutsch)

Links:

  1. http://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/LexUriServ.do?uri=COM:2012:0511:FIN:DE:PDF
  2. http://www.europarl.europa.eu/sides/getDoc.do?pubRef=-%2f%2fEP%2f%2fNONSGML%2bCOMPARL%2bPE-497.794%2b01%2bDOC%2bPDF%2bV0%2f%2fDE
  3. http://www.europarl.europa.eu/sides/getDoc.do?pubRef=-%2f%2fEP%2f%2fNONSGML%2bCOMPARL%2bPE-498.138%2b01%2bDOC%2bPDF%2bV0%2f%2fDE
  4. http://www.europarl.europa.eu/sides/getDoc.do?pubRef=-%2f%2fEP%2f%2fNONSGML%2bCOMPARL%2bPE-498.139%2b01%2bDOC%2bPDF%2bV0%2f%2fDE
  5. http://www.europarl.europa.eu/sides/getDoc.do?pubRef=-%2f%2fEP%2f%2fNONSGML%2bCOMPARL%2bPE-498.140%2b01%2bDOC%2bPDF%2bV0%2f%2fDE
  6. http://www.europarl.europa.eu/sides/getDoc.do?pubRef=-%2f%2fEP%2f%2fNONSGML%2bCOMPARL%2bPE-498.151%2b01%2bDOC%2bPDF%2bV0%2f%2fDE