Mit Sparen und Zittern aus der Krise?

BEITRAG von J. KLUTE u. H. PENZER für SACHSENS LINKE

21.01.2011

Während Länder wie China, Brasilien oder Argentinien die Weltwirtschaftskrise längst hinter sich gelassen haben, sacken wir immer tiefer in eine originär europäische Währungs- und Wachstumskrise. Unsere Führungsriegen in Berlin und Brüssel blamieren sich beim Versuch, von der eigenen Ratlosigkeit abzulenken. Länder, die an den Finanzmärkten nicht mehr gut genug ankommen, fallen auch im exklusiven EU-Club in Ungnade. Um Siemens, Deutsche Bank & Co einen Gefallen zu erweisen, tritt Merkel das Potenzial eines sozialen Wachstumsmodells in Europa unbekümmert in die Mülltonne.

Vielleicht krankt das politische Führungspersonal der EU nicht nur an mangelndem Sachverstand und ideologischer Borniertheit, sondern auch an einer Überdosis ungesundem Ehrgeiz. Zu Beginn des Jahrhunderts meinten Europas Regierungen, nach Höherem streben zu müssen. Gemeint waren keine spirituellen oder sozialen Glanzleistungen, sondern die Spitze im vermeintlichen globalen Wirtschaftskrieg. Bis 2010 sollte die Europäische Union zum weltweit wettbewerbsfähigsten Wirtschaftsraum aufsteigen. Der Optimismus nährte sich von einer - wie sich schnell herausstellte - spekulativen Blase an den IT-Märkten, aber auch von hohen Erwartungen in die gemeinsame europäische Währung.

Nach deutschem Vorbild wurde der neue Währungsraum mit einer mächtigen, „unabhängigen" Zentralbank ausgestattet. Die Europäische Zentralbank mit Sitz am Main sollte Stabilität durchsetzen - mit einer Inflationsrate knapp unter zwei Prozent und einer Begrenzung der öffentlichen Verschuldung.

Zum Beginn des neuen Jahrzehnts sind Zentralbank, Kommission und Regierungen trotz der besten Ziele mit Krisenmanagement beschäftigt. Schmerzlich merkt man ihnen an, wie wenig sie darauf eingestellt waren. Trotz monatlichen Gipfeltreffen kämpfen Europas „Randstaaten" mit stetig steigenden Zinsen auf neu herausgegebene Staatsanleihen. Trotzdem konnten Griechenland, Irland, und nun offensichtlich auch Portugal nicht genügend Abnehmer neuer Schuldpapiere finden.

Sicher, die EU hat reagiert. Nach Zögern und Zaudern konnte man sich auf einen Krisenfonds einigen, der, ausgestattet mit Garantien über 500 Milliarden Euro, zinsgünstig Kapital anwirbt, und es zu „marktüblichen" Preisen an die Patienten der Eurozone weiterverleiht. Finanzhaie wie europäischer Rettungsschirm erzielen auf Staatsanleihen der europäischen Krisenstaaten ordentliche Renditen von derzeit bis zu 12 Prozent. Der Sanierung angeschlagener Großbanken ist damit geholfen - Europa drohen neue Armenhäuser, die unter der Last des Schuldendienstes sich kaum um eine nachhaltige Förderung ihrer angeschlagenen Volkswirtschaft kümmern können.

Die Eurozone ist auf der einen Seite ein klares Opfer spekulativer Attacken und wenig rationalen Herdenverhaltens an den Finanzmärkten. So weisen Italien, Belgien und Frankreich allesamt einen höheren Schuldenstand als der einstmals „keltische Tiger" Irland aus. Mehr noch: Irland, ebenso wie Spanien, hatten seit Beginn der Währungsunion nie gegen das Kriterium des Stabilitäts- und Wachstumspakts verstoßen, das eine maximale jährliche Neuverschuldung von drei Prozent des Bruttoinlandsproduktes erlaubt (sowie eine Gesamtverschuldung von max. 60 % des Bruttoinlandprodukts). Beide Länder erzielten über Jahre hinweg Haushaltsüberschüsse und mussten somit bis zur Finanzkrise als Musterschüler gelten. Sogar das vielgescholtene Griechenland konnte kleinere Erfolge in Sachen Haushaltssanierung vorweisen - ganz im Gegensatz zu den europäischen Großmaulregierungen in Berlin und Paris.

Während die Meinungsführer der EU uns weißmachen wollen, dass die richtigen und ausreichenden Regeln nicht ausreichend beachtet wurden und lediglich die Erziehung der Schuldensünder zu schwäbischen Hausfrauen nachzuholen ist, trauen sie sich an die realwirtschaftlichen Hintergründe der Eurokrise nicht heran.

Die Bundesrepublik Deutschland sonnt sich gerne in den Erfolgen ihrer Exportindustrie. Wo auf globaler Ebene China wegen Dumpingstrategien und einer unterbewerteten Währung wiederholt an den Pranger gestellt wird, müsste Deutschland für vergleichbares Handeln ebenso scharf zur Ordnung gemahnt werden. Das deutsche Exportmodell beruht eben nicht ausschließlich auf der einzigartigen Leistungsfähigkeit unserer Unternehmen, sondern ebenso auf dem seit Beginn der 1990er Jahre gezielt vorangetriebenen Abbau von Löhnen und Einkommen.

Die größte Volkswirtschaft hat damit keinen Finger zur Ankurbelung von Wachstum und Entwicklung in Europa gekrümmt, und gleichzeitig ihrer Gesellschaft neue Ausmaße an Armut und sozialer Ungleichheit beigebracht. Einzig die deutschen Export-Champions profitieren dauerhaft. Und werden dazu noch zu Krisengewinnern - die Probleme an Europas Peripherie drücken auf den Wert der gemeinsamen Währung. Stiege Deutschland wieder auf die D-Mark um, wäre eine saftige Aufwertung von etwa 30 Prozent fällig - mit entsprechend verteuerten Ausfuhren.

Anstatt auf die Verlierer der Eurokrise einzuschlagen, müsste die Europäische Union endlich auf fairen Wettbewerb pochen und vom Exportweltmeister Nachsitzen einfordern - nicht für mehr Sparen, sondern für öffentliche Investitionen, einen angemessenen Mindestlohn und die Beteiligung von RentnerInnen und Erwerbslosen am allgemeinen Wohlstand.

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