Máximo Jiménez hat den Vallenato politisiert

Von Viviana Viera

10.02.2015
Viviana Viera Geraldo

Die Legende besagt, dass vor 150 Jahren ein deutsches Schiff voller Akkordeons auf dem Weg nach Argentinien vor dem Hafen von Riohacha auf der Halbinsel La Guajira in Kolumbien Schiffbruch erlitt. In der Folgezeit bemächtigten sich die Bauern und Indígenas der Gegend des neuen Instruments. Sie mischten die Klänge des europäischen Akkordeons mit der indigenen Guacharaca und der afrikanischen Caja (eine Trommel, die die hierher verschleppten Sklaven aus ihrer Heimat mitgebracht hatten) und erfanden den Vallenato. Seither breitete sich diese Folkloremusik über die gesamte Nordküste Kolumbiens aus und später über das ganze Land. Die ArbeiterInnen auf den großen Haciendas begannen, Geschichten zu den Melodien zu singen, während sie das Vieh zusammentrieben, und allmählich wurde die Musik populär. Die schlichten Texte drücken Alltagserlebnisse, Liebesnöte und Ansichten der Leute aus. Der Vallenato ist, wie der Name schon sagt, die Musik der „Im Tal Geborenen“.

1949 wurde Máximo Jiménez in Montería im Departement Córdoba geboren, Akkordeonspieler und -komponist. Zu der Zeit erlebte Kolumbien einen der schlimmsten Momente seiner Geschichte. Im Vorjahr, am 9. April 1948, war der populäre Präsidentschaftskandidat Jorge Eliécer Gaitán erschossen worden, was eine Gewaltwelle ohnegleichen auslöste, die bis heute andauert. Máximo Jiménez, bäuerlichen Ursprungs, definiert sich als Kind des Kriegs.

Sein Leben ist durch und durch geprägt vom Kampf der Campesinos. In seiner Kindheit und Jugend sah er, wie die Ländereien der Großgrundbesitzer sich weiter ausdehnten, oftmals indem den Campesinos ihr Land weggenommen wurde, um Vieh darauf weiden zu lassen. Während viele an Hunger, Elend und Fehlernährung litten, wurde auf diesen Ländereien nichts angebaut. Máximo beginnt damals, mit seiner Musik die Campesinos aufzufordern, sich ihr Land wieder anzueignen, „um es zu bearbeiten und Schluss mit dem Hunger zu machen, damit das Elend im Land nicht noch größer wird“.

Óigame terrateniente,
Vámonos a la montaña,
Ahora enfílese un machete
Y así es que el hombre se desengaña

La tierra no hay que prohibirla,
Usted no hable tanta paja.
La tierra es para dirigirla
El hombre que la trabaja.

Hör mich an, Großgrundbesitzer,
Wir machen uns auf in die Berge,
Steck’ jetzt die Machete ein
Und so gehen dem Menschen die Augen auf

Das Land darf man nicht verbieten,
Reden Sie nicht solch einen Unsinn.
Das Land ist dazu da, dass es lenkt
derjenige, der es bearbeitet.

Máximo Jiménez unterstützte zu der Zeit die 1967 gegründete Nationale Bauernvereinigung ANUC, die sich Haciendas und brachliegender Flächen in Staatsbesitz bemächtigte. Die Landbesetzungen wurden begleitet von der neuen Musik und denKampfliedern und so entstand allmählich aus der Bewegung heraus der Protest-Vallenato. Máximo Jiménez’ Musik gibt nicht nur den Campesinos und deren Forderungen Stimme und Ausdruck, sondern auch Indígenas, Gewerkschaftern und StudentInnen. Die Repression ließ nicht auf sich warten. Máximo, der weiterhin in Montería lebte, wurde mehrmals verhaftet, seine Schallplatten wurden von den Militärs zerstört, viermal wurden Mordanschläge auf ihn verübt.

Ins Exil gezwungen, kam Máximo nach Wien. Dort sollte er erfahren, wie hart die Migration ist. Das Erlernen der Sprache ist eine der schwierigsten Herausforderungen für Flüchtlinge. Ihn inspirierte es zum Lied Idioma español:

Y en Europa Central
He establecido algun tiempo
Con ganas de trabajar
y no llegaba el momento.

Salió un trabajo ilegal,
para recoger la nieve,
y me decían las mujeres
tienes que aprender alemán

Para recoger la nieve,
yo no necesito hablar,
necesito es una pala para poderlo quitar.

Und in Mitteleuropa
Habe ich mich eine Zeitlang
niedergelassen
Mit Lust aufs Arbeiten
Aber der Moment kam nicht

Ich habe eine illegale Arbeit
ergattert,
um Schnee zu schippen,
und mir sagten die Frauen
du musst deutsch lernen

Um Schnee zu schippen
brauche ich nicht zu sprechen
was ich brauche, ist eine
Schaufel, um ihn wegzukehren.

Máximo träumte immer davon, in seine geliebte Heimat zurückzukehren. Nach Jahren des Exils konnte er endlich wieder nach Kolumbien. Seit einer Gehirnblutung ist er halbseitig gelähmt. Die Kraft seiner Überzeugung macht es möglich, dass er weiter singt und sich mit einer Hand dazu begleitet.

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Übersetzung aus dem Spanischen: Gaby Küppers

Ursprünglich erschienen in: ila Nr. 57 / Dezember 2014

Máximo Jiménez auf YouTube: http://youtu.be/QiM_7VFBW2M