Sehen Sie eine Anhebung des Lohnniveaus in Deutschland als entscheidenden Teil der Lösung der Eurokrise an?

Abgeordnetenwatch

01.11.2013
Jürgen Klute (abgeordnetenwatch)

Sehr geehrter Herr Klute,

ich habe gerade ein Vortrag von Friederike Spiecker über die Ursachen der Eurokrise und Vorschläge für Auswege aus der Krise gesehen. Der Vortrag ist im Internet zu sehen auf www.youtube.com die Präsentation dazu gibt es auf www.ooe-topthema.at

Meine Frage ist nun:
Teilen Sie die Ansichten von Frau Spiecker und sehen sie auch eine Anhebung des Lohnniveaus in Deutschland über die nächsten 10 Jahre als einen entscheidenden Teil der Lösung der Eurokrise an?

Mit freundlichen Grüßen
Jörn Naber

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Lieber Herr Naber,

bitte entschuldigen Sie meine späte Antwort auf Ihre Frage! Vielleicht haben Sie in der Zwischenzeit ja einen Blick auf meine Website geworfen und haben die Antwort selbst entdeckt. Ja, ich halte die Analyse von Frau Spiecker, die bei dieser Frage ja sehr eng mit Prof. Flassbeck zusammenarbeitet, für wichtig, um die gegenwärtige Krise zu verstehen. Eine aufholende Lohnentwicklung in der Bundesrepublik kann - als Teil einer umfassenderen wirtschaftspolitischen Strategie - auch ein wichtiges Instrument zu einer ausgewogeneren wirtschaftlichen Entwicklung in der europäischen Wirtschafts- und Währungsunion sein.

Die Lohnentwicklung einer Volkswirtschaft sollte sich mindestens an der Entwicklung der Produktivität orientieren - das wird inzwischen auch vom EU-Parlament eingefordert, etwa zuletzt im "Ferreira-Bericht" zum Europäischen Semester. Auch internationale Ökonomen, George Soros oder zuletzt die US-Regierung haben die Bundesregierung wiederholt auf die besondere Bedeutung ihrer Volkswirtschaft für das Wachstum in der Eurozone hingewiesen. Auf der einen Seite hat sich die Bundesrepublik in der Vergangenheit einen unlauteren Wettbewerbsvorteil gegenüber den europäischen Partnern verschafft. Auf der anderen Seite können - angesichts des Gewichts der deutschen Volkswirtschaft - fehlende Nachfrage- und Wachstumsimpulse nur schwer durch Impulse aus den Nachbarländern ersetzt werden.

Nach den Vorstellungen der LINKEN würde zu einer europäischen wirtschaftspolitischen Steuerung auch gehören, Lohndumping in der Währungsunion zu unterbinden. Einer der größten Mängel der aktuellen wirtschaftspolitischen Steuerung in der Währungsunion ist demgegenüber, dass sie sich zu sehr darauf konzentriert, Fehlentwicklungen in sogenannten "Defizitländern" zu korrigieren, also in den Ländern, die - oft bei angemessenem oder nachholendem Lohnwachstum - mehr importieren als sie exportieren. Das EU-Parlament hatte sich dafür eingesetzt, dass die EU-Kommission Lohnerhöhungen gegenüber EURO-Ländern einfordern kann, deren Kaufkraft ihrer Exportkraft hinterherhinkt.

Bei den Verhandlungen zur Wirtschaftspolitischen Steuerung und bei Anhörungen mit Kommissionsvertretern habe ich auf diese Problematik immer wieder aufmerksam gemacht und Korrekturen eingefordert. 2010 hatte ich Prof. Heiner Flassbeck zu einer Diskussion zu diesem Thema ins EU-Parlament eingeladen ( www.juergen-klute.eu ), auch bei der Konferenz meiner Fraktion zur Economic Governance 2011 war die Frage ein Thema ( youtu.be ).

Eine letzte Anmerkung noch: Eine faire und gleichmäßige Lohnentwicklung in der Eurozone schafft die Voraussetzungen für die Erholung der Exportwirtschaft schwächerer Mitgliedsländer. Für Griechenland etwa wäre dieser Schritt aber nicht genug, da es hier kaum noch Sektoren gibt, die von einer solchen Entwicklung profitieren könnten. Die am schlimmsten von der Krise betroffenen Länder sind zusätzlich dringend auf eine europäische Industriepolitik und auf eine entschiedene Aufstockung europäischer Investitionen angewiesen.

Ich weise bei dieser Thematik auch immer gerne auf die wichtigen Beiträge meines Kollegen Axel Troost hin, der etwa ein Konzept für eine europäischen Ausgleichsunion ausgearbeitet hat.

mit herzlichen Grüßen
Jürgen Klute

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