Kunst zum Leben

KULTUREXKURSION mit R. KAUFMANN u. J. KLUTE

22.06.2011
Veronika Buszewski, Daniel Kleiböhmer, Reiner Kaufmann und Jürgen Klute

Pferdesilhouetten rechts und links der Emscher, aufgehängt an Stahlseilen, die den oberirdischen Abwasserkanal überspannen, Recklinghausen – König Ludwig – mit dem Herner Stadtteil Pöppinghausen verbinden. Was hier hängt, so erklärt der Künstler Reiner Kaufmann, ist nicht im Atelier am grünen Tisch entstanden, keine Kunst für die Akademie, sondern Kunst für und mit den Menschen.

Emscherpanorama: Vom Kraftwerk bis zu den Horizontbögen

Das wird nicht nur klar durch den Ort, an dem die Pferde das Emscherufer besiedeln: an der Mährenfurt, einer kleinen, ruhigen Straße in Recklinghausen Süd. Der Straßenname beschreibt mit dem Kunstprojekt von Reiner Kaufmann nicht mehr nur die Vergangenheit des Flusses – eine Furt, an der Pferde, Mähren oder „Jokoos", wie Kaufmann die Skulpturen nennt, zum gegenüberliegenden Ufer streben, bildet die Zukunft der Emscher an Flusskilometer 39. Spätestens mit dem vollzogenen Emscherumbau im Jahr 2020 werden die Jokoos wohl übersetzen können.

Das Risiko ungeliebter Kommunikation

Dass Kaufmann nicht nur davon spricht, Kunst in der Region, Kunst im Leben und zum Leben zu machen, zeigt sich auch bei der Exkursion mit dem Europaabgeordneten Jürgen Klute aus Herne: Passanten sprechen ihn an, worum es gehe, worüber man spreche. Der Kunstort an der Emscher ist Ort der Kommunikation, des Dialogs, nicht des Monologs. Das Projekt, getragen von der Emschergenossenschaft, bietet den Menschen die Möglichkeit, sich exemplarisch an der Renaturierung zu beteiligen: Die Pferde werden zum Teil im Atelier des Künstlers und unter seinen Augen, zum Teil ohne seinen Einfluss im Schutz der Dunkelheit an der Emscher verändert. „Man kann die Auseinandersetzung nicht führen, ohne das Risiko ungeliebter Kommunikation einzugehen" – auch was auf den ersten Blick wie Vandalismus aussieht, nimmt Kaufmann in seine Konzeptentwicklung auf. So verschwand ein von ihm gepflanzten und markierter Rebstock vom Emscherufer. Dort soll jetzt ein Weidezaun gesetzt werden, verbunden mit einem schwarzen Kasten mit der Aufschrift „Energie des Zorns". Dies alles zusammen macht die „MährenFurt" für Reiner Kaufmann zu einer Zukunftsbaustelle neues Emschertal.

Herkules hat hier nichts verloren

Der Künstler und Kurator seiner eigenen Werke nimmt die Anregungen auf – und er übersetzt die Energie, den aufkeimenden Ärger, in das nächste Projekt. Angesprochen auf die Großkunst der Kulturhauptstadt 2010 allerdings hat Kaufmann offenbar noch nicht das Projekt gefunden, in das er genug Energie pumpen könnte, um seinen Ärger über Scheidt und Pleitgen zu absorbieren. „Die denken beide nur in großen Namen und großen Dimensionen – von Ruhr 2010 ist fast nichts bei den Menschen angekommen." Großgeschäftsführer beschäftigen Großkünstler und diese realisieren Großprojekte: „Der Herkules von Markus Lüpertz auf Nordstern hat nichts mit dem Ruhrgebiet, mit den Menschen hier zu tun", meint Kaufmann.

Wie anders Kultur und ihre Orte rechts und links der Emscher sind, zeigen die weiteren Stationen der Exkursion am 18. Juni: Die Agora, griechisches Kulturzentrum in den Gebäuden der früheren Zeche Ickern I/II in Castrop-Rauxel-Ickern und inzwischen weit mehr: Integrationsarbeit für russische Aussiedler wird dort geleistet, eine nahe gelegene Schule nutzt Räume für Unterstützungsunterricht, eine Tanzgruppe trifft sich zum Training, ein Jugendtreff und ein Grillplatz sind ebenso vorhanden wie ein Raum, der von der orthodoxen Gemeinde für den Gottesdienst genutzt wird. Und im Sommer finden selbstverständlich Vorstellungen im Amphitheater statt. Entstanden ist die Agora auf Initiative von in Castrop und Umgebung lebenden Griechinnen und Griechen in enger Zusammenarbeit mit der Stadt und dem Kirchenkreis Herne mit Jürgen Klute als dem von 1991 bis 2006 zuständigen Sozialpfarrer.

Schlagwörter: