Der Juncker-Plan

Seine erste parlamentarische Hürde hat der Juncker-Plan am 20. April 2015 in Brüssel genommen – doch: was ist der Juncker-Plan genau und wie funktioniert er?

12.05.2015
Jürgen Klute

Überblick

I. Die erste parlamentarische Hürde

II. Politische Rahmenbedingungen

III. Funktionsweise des EFSI

IV. Der Beratungsprozess des EFSI im Europäischen Parlament

V. Fazit und was der Juncker-Plan mit dem "Bescheidenen Vorschlag zur Lösung der Eurokrise" von Yanis Varoufakis, Stuart Holland und James K. Galbraith miteinander zu tun hat

VI. Weiterführende Links

I. Die erste parlamentarische Hürde

Am 20. April 2015 hat der Europäische Fond für strategische Investitionen (EFSI) – besser bekannt unter der Bezeichnung "Juncker-Plan" seine erste Hürde im Europäischen Parlament genommen. In einer gemeinsamen Sitzung haben der Ausschuss für Wirtschaft und Währung sowie der Haushaltsausschuss über die rund 2.000 parlamentarischen Änderungsanträge und abschließend über den Text als ganzen abgestimmt. 69 der anwesenden Ausschussmitglieder stimmten für den EFSI in der geänderten Form, 13 dagegen und 6 haben sich der Stimme enthalten. Bereits am 23. April erfolgte die erste Trialog-Verhandlung zwischen dem Europäischen Parlament, dem EU-Rat und der EU-Kommission. Bis Ende Mai sollen die Verhandlungen abgeschlossen sein und noch vor der Sommerpause soll die endgültige Abstimmung über den Kompromiss-Text des EFSI im Parlament und im Rat erfolgen.

Seit einigen Monaten wird über den Juncker-Plan diskutiert. Was genau er aber ist, das ist nicht ganz einfach zu sagen. Teils besteht der Eindruck, es sei eine Art öffentliches Investitionsprogramm. Kritiker werfen ihm vor, das sei nur ein Plan, um Banken und Versicherungen noch reicher zu machen, da hier staatliches und privates Geld zusammengeworfen würde. Letztlich führe das nur zu einer Ausweitung problematischer, weil für die Steuerzahlenden kostenträchtiger privat-öffentlicher Partnerschaften: PPP bzw. ÖPP.

Der folgende Text versucht, die politischen Hintergründe und die Struktur des Juncker-Plans etwas durchschaubarer zu machen.

II. Politische Rahmenbedingungen

Der Mehrheit des Europäischen Parlamente ist bewusst, dass die Sparpolitik à la Merkel und Schäuble nicht die Lösung der Krise ist, in der sich die EU seit 2009 befindet. Ohne Investitionen kommt die Wirtschaft nicht wieder ins Laufen, wie die Krisenländer und ein Vergleich mit den USA zeigt. Das Europäische Parlament hat folglich in den Verhandlungen über den Mittelfristigen Finanzrahmen (MFR) 2014-2020 auf eine Erhöhung des EU-Haushalts gedrängt. Mit den zusätzlichen Mitteln sollten insbesondre in den Krisenländer dringend nötige Wachstumsimpulse erzeugen werden.

Da rund 90 % des EU-Haushalts im Rahmen der Regional- und Kohäsionspolitik als Investitionen in die EU-Mitgliedsländer zurückfließen, bedeutet umgekehrt eine Kürzung des EU-Haushalts zwangsläufig eine weitere Schwächung der Wirtschaft besonders in den Krisenländern.

Das Europäische Parlament hat seit In-Kraft-Treten des Lissabon Vertrags zwar eine volle Mitentscheidungskompetenz im Blick auf die Ausgaben der EU. Aber im Blick auf die Einnahmenseite des EU-Haushalts ist das Mitentscheidungsrecht des Europäische Parlament nach wie vor nur sehr eingeschränkt.

Eigentlich sollte sich der EU-Haushalt vollständig aus Eigenmitteln finanzieren: Das sind derzeit Einnahmen aus Zöllen für Exporte und Importe in den Binnenmarkt, einem Anteil der Mehrwertsteuer der EU-Mitgliedsländer, aus den Steuern, die die EU-Beamten zahlen und aus Strafzahlungen aufgrund von Verstößen gegen das EU-Wettbewerbsrecht. Diese Eigenmittel decken derzeit aber nur rund ein Viertel des EU-Haushaltsvolumens ab. Deshalb sind Beitragszahlungen der Mitgliedsstaaten erforderlich – was eigentlich nur vorübergehend zulässig ist.

Die EU-Kommission und das Europäische Parlament drängen deshalb seit Jahren auf eine Erhöhung der Eigenmittel, z.B. durch die Einführung einer Finanztransaktionssteuer. Eine Entscheidung darüber fällt bisher in die alleinige Zuständigkeit des EU-Rat. Und der kann sich in dieser Frage nicht einigen. Deshalb hängt der EU-Haushalt bis auf weiteres von Beitragszahlungen ab. Die notwendige Erhöhung der Beitragszahlungen ist gegenwärtig aber nicht durchsetzbar.

Die Bundesregierung ist auf die Schuldenbremse fixiert. Dabei spielt das für die EU gar keine Rolle, denn die EU darf keine Schulden machen und hat daher auch keine Schulden. Haushaltskürzungen um Schulden abzubauen ist folglich eine Maßnahme, die im Blick auf die EU völlig absurd ist.

Die britische Regierung lehnt eine Erhöhung der Beitragszahlungen ab, weil sie den Einfluss Brüssel auf die EU-Mitgliedsstaaten schon jetzt für zu umfangreich hält..

Und eine Reihe weiterer EU-Mitgliedsstaaten lehnen eine Erhöhung der Beitragszahlungen ab, weil sie aufgrund des Stabilitätspaktes (Fiskal-Pakt), den der Rat Anfang 2012 selbst durchgesetzt hat, ihre eigenen Haushalte kürzen müssen. Durchaus nachvollziehbar argumentieren diese Länder, dass bei massiven Kürzungen nahezu aller Ausgabenpositionen eine Erhöhung ausgerechnet der Beiträge zur EU den Wählerinnen und Wählern nicht mehr vermittelbar ist. Hier wird die EU von den Widersprüchen der vom Rat durchgepeitschten Sparpolitik eingeholt.

In dieser desaströsen und von Widersprüchen geprägten politischen Gemengelage konnte sich das Europäische Parlament nicht nur nicht durchsetzten mit seinen Forderungen nach einer Aufstockung des Mittelfristigen Finanazrahmens 2014-2020, es musste sogar eine Kürzung hinnehmen.

Ein europäisches Investitionsprogramm, das aus Steuermitteln (EU-Haushalt) finanziert ist, lässt sich in einer solchen politischen Gemengelage schlicht nicht durchsetzten.

Nach der Europawahl 2014 hat die S&D-Fraktion (Sozialisten und Demokraten | SPD) im Europäischen Parlament die Verhandlungen über den neuen Kommissionspräsidenten genutzt, das Thema Investitionsprogramm erneut auf die Tagesordnung zu setzten. Ihre Zustimmung zu Juncker als Kommissionspräsident hat die S&D-Fraktion als die zweitgrößte Fraktion im Europäischen Parlament davon abhängig gemacht, dass Juncker zügig einen Investitionsplan vorlegt und dass das Europäische Parlament als Mitentscheider uneingeschränkt in das Gesetzgebungsverfahren eingebunden ist, also wieder die so genannte Gemeinschaftsmethode zum Zuge kommt, die laut Lissabon Vertrag der Regelfall im EU-Gesetzgebungsverfahren ist. Im Zuge der Krise hatte der EU-Rat die Gemeinschaftsmethode Zug um Zug durch Absprachen zwischen den Regierungen (intergovermentale Methode) zurückgedrängt und sich damit weitgehend parlamentarischer Kontrolle entzogen.

Der italienische Europaabgeordnete Roberto Gualtieri, Mitglied der S&D-Fraktion und Vorsitzenger des Ausschusses für Wirtschaft und Währung (ECON), hat dies in seiner Rede auf der Konferenz des Ausschusses der Regionen zum Juncker-Plan am 15. April 2015 in Brüssel noch einmal ausdrücklich erläutert (An Investment Plan for Europe: joining forces, 15/04/2015 - 15/04/2015 9:30-16:45 Committee of the Regions, Belliardstraat 99-101, 1040 Brussels). Mit dem Vorschlag, einen Europäischen Fond für strategische Investitionen einzurichten, hat Juncker diese beiden Bedingungen erfüllt, so Gualtieri weiter.

Das Juncker sich für die gegebene Struktur des Investitionsfonds – sie ist Thema des folgenden Kapitels – entschieden hat, erklärt sich aus der zuvor beschriebenen politischen Gemengelage. Da ein Investitionsplans mit öffentlichen Mitteln derzeit keine Chance hat, hat Juncker einen Plan vorgelegt, der auf die Aktivierung privaten Kapitals für zusätzliche Investitionen zielt. Dazu will er Mittel und Programme des EU-Haushalts nutzen und auch Mittel der Europäischen Investitionsbank (EIB).

Bei der politischen Bewertung dieses Plan muss man im Blick behalten, dass Juncker sich mit seinem Investitionsplan auf die Seite des Europäischen Parlaments gestellt hat und damit gegen Merkels Austeritätspolitik und den Rat – obgleich Merkel und Juncker der gleichen politischen Familie angehören. Daher kann man den Juncker-Plan auch als deutliche Kritik an der vor allem an nationalen Interessen ausgerichteten Europa-Politik Merkels und der Mehrzahl ihrer Kollegen im Rat verstehen – als Eurogruppen-Vorsitzender hat Juncker sich mehr als einmal kritisch zu Merkels Europapolitik geäußert. Die Konfliktlinien verlaufen in diesem Punkt eben nicht allein entlang der Grenzen der politischen Lager.

Eine fundamentalistische Ablehnung des Juncker-Plans könnte daher am Ende des Tages Merkel und ihre an nationalen Interessen ausgerichtete Austeritätspolitik stärken. Die damit einhergehende Schwächung Junckers könnte letztendlich sogar indirekte Auswirkungen für die Tsipras-Regierung in Athen haben, die ihre stärkste Unterstützung auf EU-Ebene bisher durch Juncker erfahren hat. Denn die Spielräume, die Juncker hat, hat er durchaus zugunsten von Tsipras genutzt, der sich andererseits deutlich für Europa und die EU einsetzt, aber für eine andere, eine soziale EU. Selbstverständlich käme eine Schwächung Junckers auch all denjenigen zupass, die die bisherige europäische Integration zurückdrehen wollen. Eine auf eine alternative, soziale, friedliche und ökologische Europapolitik orientierte Position wird sich folglich auf konkrete Kritikpunkte am Juncker-Plan konzentrieren.

Mit dem EFSI hat Juncker nicht nur die Zustimmungsbedingungen der S&D-Fraktion zu seiner Kommissionspräsidentschaft erfüllt. Es geht auch um die Adressierung zwei weiterer Probleme, die seit längerem in der Diskussion sind.

Es gibt in den EU-Länder unterschiedliche Altersvorsorgesysteme. Kapitalbasierte Altersvorsorge spielt dabei eine große Rolle, z.B. in den Niederlanden und in Großbritannien. Aber auch in Deutschland gibt es mittlerweile die Riester-Renten, zusätzliche Betriebsrenten und die private Altersvorsorge der Freiberufler und KMU-Eigentümer – bekannterweise steht die gesetzliche Altersvorsorge in Deutschland ja nur abhängig Beschäftigten offen. Allein über 17 Millionen Arbeitnehmer in Deutschland haben eine betriebliche, kapitalbasierte zusätzliche Altersvorsorge (vgl.: Pensionslasten erdrücken Konzerne, in: Financial Times Deutschland, online-Ausgabe vom 14.08.2012). Laut EIB sind diese Versicherungen – die so genannten institutionellen Anleger – die größten Kapitalsammelstellen in der EU. Die traditionellen Anlagemöglichkeiten bringen im Augenblick nur sehr niedrige Renditen. Der Juncker-Plan will diesen Anlegern zum einen bessere Anlagemöglichkeit erschließen. Da die Anlagemöglichkeiten für institutionelle Anleger sich aufgrund gesetzlicher Regelungen nur im Bereich begrenzter Risiken bewegen dürfen, wird es hier auch nicht zu exorbitanten Renditen für die Anleger kommen.

Zum anderen waren diese Versicherungen in den zurückliegenden Jahren stark am Derivate-Handel und auch am so genannten Hochfrequenzhandel beteiligt. In diesem Finanzmarktsegment werden die gehandelten Wertpapiere mehrfach täglich an- und verkauft. Dabei handelt es sich um kurzfristige, rein spekulative Investitionen.

Im Rahmen der Debatten um die Einführung einer Finanztransaktionssteuer (FTT) hat genau dieser Punkt für heftige Debatten gesorgt. Die Lobbyisten der britischen Finanzindustrie haben gegen die FTT eingewandt, dass eine FTT den Derivate-Handel stark verteuere. Denn bei einem mehrfachen täglichen Umschlag der Derivate würde sich selbst die von der EU-Kommission vorgeschlagene minimale FTT für Derivate in Höhe von 0,01 % über zwei oder drei Jahrzehnte zu einer spürbaren Summe aufaddieren, die im Ergebnis zu einer Rentenkürzung von 15 % bis 20 % führe.

In einer der zahlreichen Debatten im Wirtschafts- und Währungsausschuss des Europäischen Parlaments (ECON) zur FTT in der Legislaturperiode 2009-2014 wurde auch dieser Punkt diskutiert. Britische Tory-MdEP hatten dieses Argument der britischen Finanzindustrie vorgetragen. Ein Vertreter der EU-Kommission erwiderte darauf, dass man dieses Argument in der Kommission kenne. Die Kommission wolle aber gerade diese kurzfristigen und spekulativen Investitionen der Versicherungen unattraktiv machen, damit die Versicherungen zu langfristigen und nachhaltigeren Investitionsstrategien wechseln und Investmentströme wieder stärker in die Realwirtschaft des EU-Binnenmarktes gelenkt werden.

Erweist sich der Juncker-Plan als erfolgreich, dann entspricht er eben auch diesem Ziel der EU-Kommission.

In der Mitteilung der EU-Kommission zum Juncker-Plan vom 26.11.2014 und in dem Kommissions-Entwurf der Verordnung zum Juncker-Plan vom 13.01.2015 (die genauen Titel und Fundstellen beider Texte finden sich am Ende dieses Artikels) spiegeln sich diese Punkte wider.

Damit ist der politische Rahmen beschrieben, in den sich der Juncker-Plan einordnet.

III. Funktionsweise des Juncker-Plans

Die zwei Säulen des EFSI

Der Europäische Fond für strategische Investitionen (EFSI) besteht aus zwei Säulen: 16 Milliarden Euro, die aus dem EU-Haushalt kommen und weiteren 5 Milliarden Euro aus den Mitteln der EIB. Zusammen ergibt das die 21 Milliarden Euro, die der EFSI enthalten soll. Für die EU-Mitgliedstaaten, für Förderbanken aus den Mitgliedsstaaten und auch für private Investoren besteht die Möglichkeit, den EFSI aufzustocken.

Verwaltet wird er EFSI von der Europäischen Investitionsbank (EIB | www.eib.org).

Die EIB-Säule in Höhe von 5 Milliarden Euro richtet sich speziell an KMU. Deshalb soll die EIB in diesem Bereich eng mit dem Europäischen Investitionsfond (EIF | www.eif.org) zusammenarbeiten. Der EIF wurde 1994 von der EIB (63,7 %), der EU-Kommission (24,3 %) und Banken aus den EU-Mitgliedsländern und der Türkei (insgesamt 12 %) gegründet und dient der Unterstützung von KMUs und sogenannten Midcaps (mittelgroße Aktiengesellschaften) mittels unterschiedlicher Instrumente der Risikoabsicherung, um KMU Zugang zum Finanzmarkt zu erleichtern. Diese Säule des EFSI arbeitet mit den gleichen Instrumenten. In der Mittteilung der Kommission vom 26.11.2014 zum EFSI heißt es dazu (Fundstelle und vollständige Quellenangaben am Ende dieses Artikels): "Die KMU-Säule soll durch die Bereitstellung höherer direkter Kapitalbeteiligungen und zusätzlicher Garantien zur hochwertigen Verbriefung von KMU-Darlehen den Unternehmen helfen, Eigenkapitaldefizite auszugleichen."

Die zweite auf dem EU-Haushalt fußende Säule des EFSI in Höhe von 16 Milliarden Euro ist vor allem für größere Projekte gedacht. Die Summe von 16 Milliarden Euro kommt aus den Fördertöpfen für Infrastrukturmittel (connecting Europe: 3,3 Milliarden) und für Forschung und Entwicklung (Horizon: 2,7 Milliarden). Weiterhin sollen nicht verbrauchte Mittel sowie Differenzen zwischen Auszahlungsverpflichtungen und Ermächtigungsverpflichtungen, die so genannten Haushaltmargen, ebenfalls für den EFSI (2 Milliarden Euro) genutzt werden. Das sind zusammen 8 Milliarden Euro. Dieser Betrag soll in den EU-Garantie-Fond eingezahlt werden.

EFSI und EU-Garantiefond

Der EFSI ist kein Fond, aus dem Projekte direkt mit Zuschüssen unterstützt werden, wie die Bezeichnung vermuten lassen könnte. Der EFSI ist ein Garantie-Fond. In Artikel 1 der EFSI-Verordnung heißt es: "Zweck des EFSI ist es, durch Erhöhung der Risikoübernahmekapazität der EIB Investitionen in der Union zu fördern und für Unternehmen mit bis zu 3000 Beschäftigten einen besseren Zugang zu Finanzmitteln zu gewährleisten, wobei der Schwerpunkt auf kleinen und mittleren Unternehmen liegt (im Folgenden 'EFSI-Vereinbarung')." (Quellenangaben finden sich am Ende des Textes)

Das heißt, der EU-Haushalt übernimmt mit der Installierung des EFSI Garantien bis zu einer Höhe von 16 Milliarden Euro. Anders als bei einem Förderfond muss ein Garantiefond nicht von Anfang an liquide sein. Denn Garantiefälle entstehen nicht beim Start eines Projektes, sondern wenn, dann erst im Laufe der Realisierung. Da zudem in der Regel nur einer kleiner Teil bewilligter Projekt zu einem Garantiefall wird, braucht die Garantiesumme nicht in vollem Umfang als liquides Vermögen zur Verfügung stehen. Deshalb wird parallel zum EFSI der EU-Garantiefond als die Barkasse des EFSI – wenn man so will – gebildet und nur mit der Hälfte der vom EU-Haushalt vorgesehenen 16 Milliarden Euro aufgefüllt, also mit den oben genannten 8 Milliarden Euro. Nur wenn entsprechende Garantiefälle eintreten, wird der EU-Garantiefond wieder aufgefüllt – maximal bis zur Grenze von 16 Milliarden Euro.

Wird ein Projekt erfolgreich abgeschlossen, endet damit die Garantieverpflichtung aus dem EFSI bzw. aus dem EU-Garantiefonds für dieses Projekt. Die nun nicht mehr durch Garantiezusagen gebundenen Gelder können dann erneut als Garantie für andere Projekte genutzt werden. Daraus erklärt sich zu einem Teil die Hebelwirkung von 1:15. Zu einem weiteren Teil erklärt sie sich daraus, dass die Investitionen in einem Projekt nicht zu 100 % durch Garantien abgesichert werden, sondern nur zu einem bestimmten Anteil. Die Hebelwirkung von 1:15 ist zudem eine Durchschnittszahl: Die Summe aller Projekte soll diese Hebelwirkung ergeben. Einzelne Projekte können davon deutlich nach unten oder auch nach oben abweichen. Die EIB begründet die Hebelwirkung von 1:15 mit ihren langjährigen Erfahrungen im Umgang mit entsprechenden Finanzprodukten.

Wie schon gesagt, handelt es sich bei dem EFSI nicht um einen Förderfond, sondern um einen Garantiefonds. Nach Auskunft aus der EIB nimmt der EFSI damit eine Funktion war, die bis zum Beginn der Krise von speziellen Anleiheversicherern, den so genannten Monoliniern, wahrgenommen wurde (vgl zu Monolinern: http://boerse.ard.de/boersenwissen/boersenlexikon/monoliner-100.html und http://de.wikipedia.org/wiki/Anleiheversicherer). Da diese Versicherungen zu Beginn der Krise selbst ins Trudeln geraten sind, spielen sie in der EU heute keine Rolle mehr. Ihr Ausfall hat eine Lücke hinterlassen, die der EFSI schließen soll.

Die Instrumente des EFSI

Die EIB geht davon aus, dass ausreichend Geld vorhanden ist, vor allem bei den so genannten institutionellen Investoren, also im wesentlichen bei den Lebensversicherungen und Altersvorsorgeversicherungen. Zum einen sind diese Anleger nicht bereit, zu hohe Risiken einzugehen, zum anderen dürfen institutionelle Investoren aufgrund gesetzlicher Reglungen zum Schutz ihrer Kunden auch nur begrenzte Anlagerisiken eingehen. Mit dem EFSI sollen Anlagerisiken soweit verringert werden, dass vor allem institutionelle Investoren in die politisch gewollten Projekte investieren können (vgl. dazu: http://www.eib.org/about/invest-eu/index.htm). Da risikoärmere Anlagen geringere Zinsen und Renditen erzeugen, greift im übrigen die gelegentlich geäußerte Kritik nicht, dass der EFSI vor allem einer überbordenden Profitmaximierung diene.

Der EFSI übernimmt eine Kreditabsicherung gegenüber der EIB, die ähnlich wirkt wie eine Eigenkapitalerhöhung. Die EIB begibt zum Beispiel Anleihen, die durch den EFIS abgesichert sind. Das mobilisierte Geld gibt die EIB in Form von langfristigen Krediten, Bürgschaften, Kapitalbeteiligungen, etc. an Projektträger weiter. Auf der Ebene der Projekte wirkt sich das als Risikominderung aus, die weitere Investoren mobilisieren soll. Das können öffentliche Träger, private Investoren, Förderbanken oder eine Mischung aus verschiedenen Akteuren sein. Auch hier kann es sich um Kredite handeln, um Kapitalbeteiligungen, oder um Projektanleihen (Projekt-Bonds). Aus Sicht der EIB ist wichtig, dass es zu einer Risikominimierung und aufgrund dessen zur Mobilisierung zusätzlicher Investitionen kommt. Mit diesen Instrumenten soll zunächst für einen Zeitraum von drei Jahren ein Investitionsvolumen in Höhe von rund 320 Milliarden Euro mobilisiert werden. Die EIB verweist darauf, dass sie mit diesem Finanzierungsmodell lange Erfahrungen hat und dass die Hebelwirkung in der Vergangenheit oft deutlich höher war als die für den Juncker-Plan angestrebte. Die EGKS hat bereits in den 1950/60er Jahren mit Vorläufern zu diesem Modell Gelder akquiriert, um der Montanindustrie günstige Kredite für Modernisierungszwecke zur Verfügung zu stellen. Der Juncker-Plan ist also keineswegs ein neues Instrument, sondern ein eher altbewährtes.

Die EIB-Mittel können für Projekte von Privatunternehmen abgerufen werden, für Projekte die teils privat, teils öffentlich finanziert sind oder auch für gänzlich öffentlich finanzierte Projekte. Diese Frage zu klären obliegt den Mitgliedsländern. In jedem Fall ist es als ein hoch flexibles Instrument gedacht.

Die Zielvorgaben für den EFSI

Der EFSI soll vor allem kleine und mittlere Unternehmen unterstützen. Die Investitionen sollen in folgende politisch vorgegebene Bereiche gelenkt werden und nachhaltiges Wachstum und neue Arbeitsplätze schaffen:

  • Infrastrukturentwicklung vor allem in den Bereichen Verkehr, Energie und in die digitale Infrastruktur;
  • Ausbau der allgemeinen und beruflichen Bildung, der Gesundheitsdienste, der Forschung und Entwicklung, der Informations- und Kommunikationstechnologie;
  • Ausbau erneuerbarer Energien und Steigerung der Energie- und Ressourceneffizienz;
  • Infrastrukturprojekte in den Bereichen Umwelt, natürliche Ressourcen, Stadtentwicklung und Soziales.

Europäisches Investitionsverzeichnis

Darüber hinaus soll ein Europäisches Investitionsverzeichnis in Form eines Internet-Portals eingerichtet werden. Dieses Verzeichnis soll in transparenter Weise über laufende und auch zukünftige Projekte informieren. Damit sollen auf europäischer Ebene Projektträger und Investoren miteinander in Verbindung gebracht werden.

Leitungsstruktur des EFSI

Die Leitungsstruktur des EFSI sieht drei Komponenten vor.

Die Geldgeber – aktuell Kommission und EIB – bilden den Lenkungsrat. Er legt die strategische Ausrichtung und die Arbeitsprinzipien des EFSI einvernehmlich fest. Vertreter der Kommission und der EIB sind stets in der Mehrheit.

Für die laufende Verwaltung des EFSI sind ein geschäftsführender Direktor und ein stellvertretender geschäftsführender Direktor vorgesehen.

Die Entscheidungen über Projektfinanzierungen werden von einem Investitionsausschuss getätigt, dem sechs unabhängige Experten und der geschäftsführende Direktor angehören.

Rechenschaft, Kontrolle und Betrugsbekämpfung

Die EIB ist gegenüber der EU-Kommission, dem EU-Rat und dem Europäischen Parlament berichtspflichtig. Zu berichten ist einerseits über die Aktivitäten im Rahmen des EFSI und zum anderen sind Bewertungen der Aktivitäten im Blick auf die Zielvorgaben vorzunehmen.

Das Europäische Parlament hat das Recht, den geschäftsführenden Direktor des EFSI zu Anhörungen einzuladen. Zudem ist der geschäftsführende Direktor verpflichtet, schriftliche und mündliche Anfragen aus dem Europäischen Parlament zu beantworten.

Ende Juni 2018 und danach im Drei-Jahres-Rhythmus finden tiefergehende Auswertungen der Tätigkeiten des EFSI statt. Diese Regelung lässt darauf schließen, dass der EFSI nicht auf drei Jahre begrenzt bleiben soll.

Die Überprüfung des EFSI obliegt dem Europäischen Rechnungshof. Darüber hinaus sieht die EFSI Verordnung explizit Regelungen zur Betrugsbekämpfung vor unter Einbeziehung des Europäischen Amtes für Betrugsbekämpfung (OLAF).

IV. Der Beratungsprozess des EFSI im Europäischen Parlament

Am 20. April 2015 haben der Haushaltsausschuss und der Ausschuss für Wirtschaft und Währung des Europäischen Paraments als die beiden federführenden Ausschüsse für die EFSI-Verordnung in einer gemeinsamen Sitzung über die 1472 Änderungsanträge, die von den Mitgliedern des Europäischen Parlaments zur EFSI-Verordnung eingereicht wurden, abgestimmt. Natürlich wurde nicht über jeden einzelnen Änderungsantrag abgestimmt. Der Großteil der Änderungsanträge war wie üblich in vorlaufenden Verhandlungen zwischen den Fraktionen des Europäischen Parlaments zu Kompromissen verdichtet worden.

Hier nun die wesentlichen Änderungen, auf die sich das Europäische Parlament verständigt hat.

Zunächst einmal hat das Europäische Parlament an einer Reihe von Stellen präzisere Formulierungen der Ziele des EFSI – nachhaltiges Wachstum und die Schaffung neuer Arbeitsplätze – verabschiedet. Vor allem soll die Kommission darauf achten, das die EIB diese Ziele tatsächlich einhält. Gegebenenfalls soll die Kommission auch delegierte Rechtsakte erlassen können, damit der EFSI die gesetzten Ziele besser erreichen kann.

Weitere Präzisierungen betreffen die Leistungsstruktur des EFSI. So soll nach dem Willen des Parlaments der Lenkungsausschuss seine Prioritätensetzungen wie auch die Protokolle seiner Sitzungen veröffentlichen. Im Unterschied zum Kommissionsvorschlag will das Parlament Mitgliedsstaaten und anderen Institutionen, die sich finanziell am EFSI beteiligen, keine Sitze im Lenkungsausschuss zugestehen. Auch im Blick auf die Zusammensetzung, Benennung und Grundprinzipien der Arbeitsweise des Lenkungsausschusses hat das Parlament den Kommissionsvorschlag präzisiert.

Die Definition von KMU und Midcaps wurde präziser gefasst.

Die Benennung des Direktoriums und der Mitglieder des Investitionsausschusses sollen nur mit Zustimmung des Parlaments erfolgen können. Im Blick auf den Investitionsausschuss will das Parlament zudem eine EU-Gender-Balance-Regeln angewandt wissen.

Weiterhin hat das Parlament die Investitionsplattformen im Blick auf ihre Rolle und Zusammensetzung genauer beschrieben. U.a sollen Sozialpartner und zivilgesellschaftliche Institutionen sich an Investitionsplattformen beteiligen können.

Auch die Kriterien für die Aktivitäten des EFSI sind noch einmal zugespitzt worden auf nachhaltiges Wirtschaften, erneuerbare Energien, Bildung und Forschung und auf die Schaffung neuer Arbeitsplätze. Nach dem Willen des Parlaments sollen nur Projekte durch den EFSI unterstützt werden, die ohne diese Unterstützung nicht umgesetzt würden. Die Größe eines Projektes soll an sich kein Kriterium für einen Ausschluss vom EFSI sein. Diese Regelung soll vor allem regionalen Projekten den grundsätzlichen Zugang zum EFSI sichern. Die Parlamentsänderungen betonen wiederholt, dass sowohl mitgliedsstaatliche Förderbanken und Institutionen wie auch Investitionsplattformen in die Aktivitäten des EFSI eingebunden werden sollen.

In die Revision des Mehrjährigen Finanzrahmenplans (MFR) Ende 2016 soll aus Parlamentssicht der EFSI einbezogen werden. Überschüsse, die der EFSI gegebenenfalls erzielt, sollen dem allgemeinen EU-Haushalt zugeführt werden.

Im Blick auf die Berichterstattung und Rechenschaftslegung wurden ebenfalls Präzisierungen vorgenommen. Der Bericht soll ausdrücklich auch eine Evaluation enthalten, die die Auswirkungen des EFSI auf die EU, die KMU und auf die Schaffung neuer Arbeitsplätze beleuchtet. Vor allem drängt das Parlament darauf, dass gegebenenfalls Konsequenzen gezogen werden und die EU-Kommission zügig in Form von delegierten Rechtsakten Korrekturen auf den Weg bringt.

Während der Kommissionsvorschlag nur vorsieht, dass der Direktor des EFSI dem Europäischen Parlament gegenüber rechenschaftspflichtig ist, will das Parlament, dass auch der Vorsitzende des Lenkungsausschusses des EFSI sich direkt gegenüber dem Parlament zu verantworten hat.

Die Rechte und Pflichten des Europäischen Rechnungshofes schärft des Parlament schließlich ebenfalls. EIB, EIF und alle an den Projekten des EFSI beteiligen Finanzinstitutionen werden in dem Parlamentsvorschlag ausdrücklich verpflichtet, dem Europäischen Rechnungshof alle erforderlichen Unterlagen zur Prüfung zur Verfügung zu stellen. Die Prüfberichte sollen dem Parlament zur Entlastung der beteiligten Akteure vorgelegt werden.

Ein letzter aber deshalb keineswegs unbedeutender Punkt ist, dass das Europäische Parlament einen Änderungsvorschlag angenommen hat, der beinhaltet, dass einmalige finanzielle Beiträge von EU-Mitgliedsstaaten zum EFSI, zu bestimmten Investitionsplattformen und unter bestimmten Bedingungen zu nationalen Förderbanken nicht im Widerspruch zum Stabilitätspakt bzw. Fiskalpakt stehen. Das Europäische Parlament hat damit deutlich gemacht, dass es eine Politik, die einseitig auf Sparen setzt und auf Investitionen und Wachstum verzichtet, für einen Irrweg hält.

Insgesamt zielen die Änderungen der EU-Parlamentarier an dem Kommissionsentwurf zur EFSI-Verordnung auf eine stärkere Einbindung des Parlaments bei der Ziel- und Prioritätensetzung, bei der personellen Besetzung der Leitungs- und Entscheidungsgremien sowie bei der Rechenschaftslegung und der (Erfolgs-)Kontrolle des EFSI. Zum einen will das Parlament sicherstellen, dass die aktivierten privaten Finanzmittel nicht vorrangig Marktinteressen folgen, sondern dass sie einen gesellschaftlichen Nutzen erzielen im Sinne einer nachhaltigen und Arbeitsplätze schaffenden wirtschaftlichen Entwicklung. Um diese Ziele zu erreichen, sind effektive politische Steuerungsinstrumente erforderlich. Zum anderen wollen die Parlamentarier sich nicht einfach mit der Definition von Zielvorgaben zufrieden geben, sie wollen Ergebnisse sehen und diese auch überprüfen.

Dieser politisch richtige Ansatz der Parlamentarier muss nun allerdings noch den so genannten Trialog durchlaufen, also die Kompromissverhandlungen zwischen den drei EU-Institutionen Parlament, Rat und Kommission. Die erste Verhandlungsrunde fand am 23.04.2015 statt. Die sechste und letzte Trialogverhandlung ist für den 27.05.2015 vorgesehen. Diese Terminplanung ist sowohl vom vorgesehen Zeitraum wie auch von der Zahl der Sitzungen sehr ambitioniert. Geschuldet ist diese enge Zeitplanung dem Anliegen, den EFSI so bald als möglich in Funktion zu setzen.

V. Fazit und was der Juncker-Plan mit dem "Bescheidenen Vorschlag zur Lösung der Eurokrise" von Yanis Varoufakis, Stuart Holland und James K. Galbraith zu tun hat

Der Juncker-Plan bzw. genauer der Europäische Fond für strategische Investitionen ist kein öffentlicher Investitionsplan. Er ist ein Garantiefond zur Minimierung von Investitionsrisiken, der dazu dienen soll, private Investitionen bzw. anlagesuchendes (Versicherungs)Kapital in risikoreiche und politisch gewollte Bereiche der Realwirtschaft zu lenken, nicht mehr und nicht weniger.

Der EFSI ersetzt kein öffentliches Investitionsprogramm. Es steht aber auch nicht im Widerspruch zu einem öffentlichen Investitionsprogramm, privates Kapital für Investitionen in die Realwirtschaft zu mobilisieren. Die Notwendigkeit, weiterhin für eine Ausweitung öffentlicher Investitionen zu streiten, bleibt damit jedoch weiterhin bestehen. Denn nicht für alle Investitionsbedarfe im öffentlichen Bereich lässt sich privates Kapital mobilisieren.

Gegenüber einem öffentlichen Investitionsprogramm hat der Juncker-Plan ohne Zweifel weniger direkte Steuerungsmöglichkeiten. Aus linker Sicht ist er deshalb kein Ersatz für ein öffentliches Investitionsprogramm. Unter den gegebenen politischen Machtkonstellationen scheint der Juncker-Plan aber die einzige realistische Möglichkeit zu bieten, nötige Investitionen zu ermöglichen. Um so wichtiger ist eine klare und präzise rechtliche Grundlage für den Juncker-Plan, die Transparenz sicherstellt, klare Vorgaben enthält und eine umfassende und aussagefähige Berichterstattungspflicht gegenüber dem Europäischen Parlament vorsieht.

Eine entscheidende Frage ist, ob die politischen Instrumente, die die EFSI-Verordnung vorsieht, ausreichen, um die formulierten Ziele zu erreichen und ob Parlament und Kommission willens und stark genug sind, gegebenenfalls die Verordnung nachzubessern.

Vor allem aber sind die vom Europäischen Parlament vorgenommen Änderungen im Sinne einer Schärfung der politischen Instrumente noch mit den Regierungen der Mitgliedsländer zu verhandeln. Die Erfahrung zeigt, dass der Rat in der Regel bemüht ist, die Vorschläge des Parlaments im Zuge der Trialogverhandlungen zu verwässern.

Einen Streitpunkt stellen die politischen Zielvorgaben dar. Auf der oben schon erwähnten Konferenz des Ausschusses der Regionen zum Juncker-Plan am 15. April 2015 in Brüssel betonte ein Vertreter der European Long Term Investors (ELTI), dass in der Tat ausreichend Gelder für Investitionen zur Verfügung stehen und es seitens der Investoren auch ein Interesse am Juncker-Plan gäbe, doch die politischen Zielvorgaben hat der ELTI-Vertreter als sehr problematisch eingestuft. So kann es also sein, dass der EU-Rat, der aus nationalen Interessen heraus zumeist Lobbyisten gegenüber offener ist als das Europäische Parlament, sich in diesem Punkt für eine Abschwächung der politischen Zielvorgaben einsetzt.

Dass das Parlament unter bestimmten Bedingungen erbrachte finanzielle Beiträge zum Juncker-Plan vom Stabilitätspakt ausnehmen will, dürfte der härteste Konfliktpunkt zwischen Parlament und Rat sein. Die EVP (Europäische Volkspartei | CDU/CSU) hat zwar den entsprechenden Kompromiss mitgetragen, aber innerhalb der EVP ist dieser Punkt nicht unumstritten.

Für die S&D wiederum ist dies ein zentraler Punkt. Der Stabilitätspakt zwingt die öffentliche Hand zu fiskal- und wirtschaftspolitischer Untätigkeit gerade in Situationen, in denen öffentliche Investitionen von zentraler Bedeutung für die wirtschaftliche Entwicklung sind. Mit der zuvor genannten Regelung – der so genannten Goldenen Regel – will die S&D das "Paradigma der Sparpolitik" verändern, wie der Vorsitzende der S&D-Fraktion im Europäischen Parlament, Gianni Pitella, in einem Interview mit dem Wiener Standard vom 17.04.2015 betont hat (Pittella: "Wir wollen das Paradigma der Sparpolitik verändern" | http://derstandard.at/2000014416636/Pittella-Wir-wollen-das-Paradigma-der-Sparpolitik-veraendern).

Kann das Parlament diese Position verteidigen, dann würde das den Stabilitätspakt zwar nicht außer Kraft setzten (dafür sind gegenwärtig keine politischen Mehrheiten mobilisierbar), ihn aber doch flexibler machen.

Kontroversen gibt es auch um die Rolle der Regionen innerhalb der EU, wie auf der Konferenz des Ausschusses der Regionen deutlich wurde. Aus den Regionen wurde vor allem kritisiert, dass die Regierungen der Mitgliedsstaaten bei der Einreichung von Projektvorschlägen für den Juncker-Plan die Regionen wenn überhaupt nur unzureichend eingebunden haben. Die Kommissionsvertreter standen auf der Konferenz diesen Kritikpunkten offen gegenüber. Sie bestätigten, dass bisher keine Projekte aus den Regionen vorliegen und betonten mehrfach, dass die von den Nationalstaaten bei der EU eingereichte Projektliste nicht abschließend ist. EIB-Vertreter und Kommissions-Vertreter haben deshalb mehrfach die VertreterInnen der Regionen aufgefordert, Projekte aus den Regionen einzureichen.

Die Konfliktlinie verläuft in diesem Punkt offensichtlich zwischen Regionen, Parlament und EU-Kommission auf der einen und den nationalen Regierungen auf der anderen Seite. Es läge im Interesse einer Stärkung der Kohäsions-Politik der EU, die Position der Regionen zu unterstützen, und so die Chancen zu erhöhen, dass der Juncker-Plan vor allem auch den Krisenländern und ihren Bürgern und Bürgerinnen zugute kommt. Aus linker Sicht wäre es also sinnvoll, sich auf lokaler und regionaler Ebene zu engagieren, um vor allem anderen die Wirtschaft in den Krisenländern zu stärken.

Die vermutlichen langfristigen Wirkungen des Juncker-Plans sind bisher nicht im Fokus der Diskussionen. Wer sich den Juncker-Plan genau anschaut wird feststellen, dass sich mit diesem Instrument eine Art kultureller Veränderung auf den EU-Finanzmärkten andeutet.

Einerseits sind aufgrund der zunehmenden privaten Altersvorsorge enorme Kapitalakkumulationen bei den entsprechenden Versicherungen entstanden. Ein Teil der klassischen Anlagemöglichkeiten sind aufgrund der EU-Krise entfallen: Staatsanleihen der Krisenländer. Gleichzeitig sind die Banken in den Krisenländern nicht mehr in der Lage, in ausreichendem Maße bezahlbare Kredite für die Realwirtschaft zur Verfügung zu stellen. Unter diesen Bedingungen findet eine schrittweise Verschiebung der Finanzierung der Realwirtschaft statt. An die Stelle der klassischen Finanzierung durch Bankkredite tritt eine Finanzierung der Realwirtschaft durch institutionelle Investoren. Diese Verschiebung wird durch den EFSI verstärkt und katalysiert. Diesem Ziel dient vor allem der Aufbau des Europäischen Investitionsprojekteverzeichnisses, das die EFIS-Verordnung vorsieht. Zugleich soll damit zur Überwindung der Frakmentierung des europäischen Finanzmarkes beigetragen werden, die ihrerseits eine Voraussetzung für die genannte neue Art der Finanzierung der Realwirtschaft ist. Das kann man als eine Form der Amerikanisierung interpretieren, denn diese Art der Finanzierung ist in den USA viel verbreiteter als in Europa.

Daraus allerdings abzuleiten, dass durch den Juncker-Plan nur Versicherungen und andere Investoren begünstig werden, ist etwas kurzatmig. Ein rein öffentliches Investitionsprogramm müsste ebenfalls kreditfinanziert werden, da eine Finanzierung über Steuererhöhungen oder Sonderabgaben kurzfristig nicht möglich ist aufgrund der dazu nötigen politischen Aushandlungs- und Entscheidungsprozesse. An einem kreditfinanzierten Investitionsprogramm verdienen private Investoren und Banken genauso wie sie am EFSI verdienen. Und an beiden Varianten verdienen sie nur moderat, da die Investitionsrisiken überschaubar gestaltet sind. Die öffentliche Hand kann allerdings durch Steuern an den Profiten der Investoren partizipieren.

Wenn sich diese Entwicklung tatsächlich durchsetzt, dann stellt sich aus deutscher Sicht die Frage, welche Langzeitfolgen eine solche Entwicklung für die Sparkassen und Genossenschaftsbanken hat, die traditionell in Deutschland die Realwirtschaft mit den nötigen Krediten versorgt.

Noch ein weiterer Punkt fällt bei genauerem Hinsehen auf. Die operative Verantwortung für den EFSI liegt nicht bei der Kommission, sondern wird vollständig auf die EIB übertragen. Begründet wird das mit der Erfahrung und Fachkompetenz der EIB. Zum Teil spiegelt sich darin Misstrauen gegenüber politischen Institutionen und Entscheidungsträgern wider.

In der Konferenz des Ausschusses der Regionen zum Juncker-Plan fand dieses Misstrauen seinen Widerhall in der Form, dass einige Diskutanten argumentierten, angesichts mancher Fehlinvestitionen in der Vergangenheit, sei es richtig, die EIB als eine Art Katalysator für die Beurteilung von Projekten zu nutzen. Im Unterschied zu Politikern entscheide die EIB nicht danach, wie viel Stimmen ein Projekt einem Politiker oder einer Partei einbringt, sondern ob es ökonomisch tragfähig ist. Fehlinvestitionen, so die Annahme, ließen sich so minimieren.

Zudem spiegelt sich in der Übertragung der operativen Verantwortung für den EFSI auf die EIB ein verändertes Rollenverständnis der Politik wider, die als governance by rules bezeichnet wird, als Regieren mittels Regeln: Die Politik gibt die Regeln vor, nach denen Institutionen, die entsprechende operative Fachkompetenz bündeln, handeln, nimmt aber keinen Einfluss auf die laufenden Geschäfte. Das soll Kontinuität und Stabilität erzeugen.

Diese Entwicklung ist von einem tiefen Widerspruch gekennzeichnet. Einerseits begründet die EU-Kommission ihren Vorschlag für die EFSI-Verordnung mit einem spezifischem Marktversagen, dass die Kommission darin sieht, dass die Finanzmärkte seit mehreren Jahren nicht in der Lage sind, der Realwirtschaft – vor allem dem KMU-Sektor – den Zugang zu erforderlichen Finanzmitteln zu ermöglichen. Der EFSI ist als politisches Instrument gedacht, dass dieses Marktversagen korrigieren soll.

Gleichzeitig ist die gegenwärtige Krise aber auch unübersehbarer Ausdruck von politischem Versagen, insofern die der Krise zugrunde liegenden Konstruktionsdefizite des Euroraums von den politischen Entscheidungsträgern noch immer nicht korrigiert wurden. Dementsprechend ist das Vertrauen in die politischen Institutionen ebenfalls begrenzt.

Nun sucht man eine Lösung in dem Konzept governance by rules. Soll dieses Konzept funktionieren, setzt das allerdings eine präzise und kluge Regulierung voraus und eine ebenso gute Umsetzung und regelmäßige Überprüfung der Regulierung. Ob auf diesem Wege unter den gegebenen Bedingungen die konstatierten Markt- und Politikdefizite korrigiert werden können, bleibt eine offene Frage.

Abschließend sei noch auf eine weitere indirekte Unterstützung für den Juncker-Plan verwiesen, die von einer Seite kommt, von der es nicht unbedingt zu erwarten wäre: vom linken griechischen Finanzminister Yanis Varoufakis. Zusammen mit Stuart Holland und James K. Galbraith hat Varoufakis kürzlich den kleinen Band "Bescheidener Vorschlag zur Lösung der Eurokrise" (München, 2105) veröffentlicht.

Die Autoren schlagen vier Lösungsstrategien vor, die alle ohne neue EU-Institutionen und ohne Änderungen des Lissabon Vertrags auskommen. Denn die eigentlich nötige Vertiefung der europäischen Integration halten sie in der gegenwärtigen Krise nicht für durchsetzbar.

Eine der vier Strategien, die Varoufakis und seine Mitstreiter vorschlagen, ist ein Investitionsprogramm, dass sie als einen europäischen New Deal verstanden wissen wollen.

Ihre Prämisse für den New Deal unterscheidet sich von der Prämisse der EU-Kommission für den Juncker-Plan nur in der Wortwahl: "Die andere Seite der Medaille ist das akkumulierte Kapital (in Europa, aber auch weltweit), das derzeit nicht produktiv investiert wird aus Angst, es könnte nicht genug Nachfrage für die Waren geben, die mit den Investitionen produziert werden." (Alle hier und im folgenden zitierten Passagen finden sich auf Seite 43 des Bandes von Varoufakis u.a.)

Daraus folgern die drei Autoren: "Die Krise wird überwunden werden, wenn es gelingt, das akkumulierte Kapital in produktive Investitionen zu lenken, vor allem in der Peripherie. Unsere Idee beinhaltet keine gemeinsame Fiskalpolitik für Europa, die von den Steuerzahlern der Überschussländer finanziert würde. Statt dessen schlagen wir die "Mobilisierung" internationaler und europäischer Gelder vor, die in produktive Investitionen geleitet werden sollen, vorrangig in der Peripherie der Eurozone. Aus den Erträgen der Investitionen können dann die hohen Schulden bedient werden und es gibt Wachstum für ganz Europa."

In der Grundidee, privates Kapital für ein Investitionsprogramm zu mobilisieren, stimmen der Juncker-Plan und der Vorschlag der Troika aus Varoufakis, Holland und Galbraith also überein. Gänzlich deckungsgleich sind die beiden Konzepte allerdings nicht. Vor allem in zwei Punkten unterscheidet sich der Vorschlag von Varoufakis und seinen Mitautoren vom Juncker-Plan: Zum einen schlagen sie ein Investitionsvolumen in Höhe von 8 % des BIP vor – das ist deutlich mehr Geld als der Juncker-Plan mobilisieren will.

Zum anderen schlagen sie vor, die EZB in ein Investitionsprogramm einzubeziehen. Den Hintergrund bildet das EZB-Programm zum Ankauf von Staatsanleihen der Euroländer zur Deflationsbekämpfung. Aus Sicht der drei Autoren wäre es sinnvoller, die EIB und der EIF begäben Anleihen, die die EZB aufkauft statt Anleihen einzelner Euroländer. Denn diese Anleihen wären Europäische Anleihen – nur EIB und EIF können derzeit Anleihen auf europäischer Ebene begeben. Varoufakis und seine beiden Mitautoren gehen davon aus, dass eine solches Vorgehen das Vertrauen von Investoren stärkt: "Die Anleihen von EIB und EIF, insbesondere wenn sie von der EZB unterstützt werden (so wie wir es bereits erklärt haben), bieten den Investoren sichere Investitionsmöglichkeiten, weshalb damit zu rechnen ist, dass sie einen großen Teil dieses akkumulierten Kapitals anziehen. Die EIB und der EIF werden dieses Geld dann in Investitionen lenken, die die Produktivität der europäischen Volkswirtschaften erhöhen." Die Rolle des EFSI als Garantiefond wird also der EZB übertragen. Der EU-Haushalt spielt folglich keine Rolle in diesem Vorschlag.

Wenn es tatsächlich gelingen sollte, aus der Versicherungswirtschaft bisher eher spekulativ eingesetztes Kapital in die Realwirtschaft umzulenken, dann wäre das ein beachtlicher politischer Erfolg. Dennoch: Für den Juncker-Plan wie für den Vorschlag von Varoufakis, Holland und Galbraith und unabhängig davon, ob ein Investitionsprogramm von privaten Investoren oder durch Steuergelder finanziert wird, gilt: Zukunftsfähig ist die beabsichtigte Steigerung der Produktivität und des Wirtschaftswachstums nur, wenn sie mit einer ökologischen Transformation der Produktion, mit einer Neuverteilung der Arbeit und der Einkommen und einer Demokratisierung der Wirtschaft verbunden wird. Konkrete Ideen dazu liegen ausreichend vor.

VI. Weiterführende Informationen

EU-Kommission: Mitteilung zur EFSI-Verordnung:

Webseite: http://ec.europa.eu/priorities/jobs-growth-investment/plan/docs/an-investment-plan-for-europe_com_2014_903_de.pdf

Veröffentlichungsdatum: Brüssel, den 26.11.2014

Kennung: COM(2014) 903 final/2

Corrigendum : Ce document corrige le document COM(2014) 903 final du 26.11.2014. Concerne la version linguistique allemande. Note de bas de page n°6 ("EIB" au lieu de "EZB").

Titel: Le texte doit se lire comme suit: Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, die Europäische Zentralbank, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss, den Ausschuss der Regionen und die Europäische Investitionsbank. Eine Investitionsoffensive für Europa

EU-Kommission: Der Entwurf der EFSI-Verordnung lautet:

Webseite: http://ec.europa.eu/priorities/jobs-growth-investment/plan/docs/proposal_regulation_efsi_de.pdf

Veröffentlichungsdatum: Straßburg, den 13.1.2015

Kennung: COM(2015) 10 final – 2015/0009 (COD)

Titel: Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über den Europäischen Fonds für strategische Investitionen und zur Änderung derVerordnungen (EU) Nr. 1291/2013 und (EU) Nr. 1316/2013

Europäisches Parlament:

Webseite mit den Dokumenten aus der parlamentarischen Bearbeitung der EFSI-Verordnung: http://www.europarl.europa.eu/oeil/popups/ficheprocedure.do?lang=&reference=2015/0009(COD)

Europäische Investitionsbank (EIB):

Webseite zum EFSI: http://www.eib.org/about/invest-eu/index.htm

Download-Dokumente: