EU-Abgeordnete wehren sich gegen starke Finanzlobby

BERICHT von Christoph B. SCHÜTZ, erschienen in: DIE WELT

22.06.2010

Brüssel - In der Diskussion um die Reform der Finanzmärkte haben EU-Parlamentarier aus allen Fraktionen vor einer Übermacht der Finanzlobbyisten gewarnt. "Wir, die für die Regulierung der Finanzmärkte und des Bankgewerbes zuständigen europäischen Abgeordneten, stehen täglich unter dem Druck des Finanz- und Bankensektors", heißt es in dem Schreiben, das vor allem von Abgeordneten der Sozialisten, der Grünen und der Linken unterstützt wird und der WELT vorliegt. Zur Überraschung vieler Parlamentarier hat aber auch der Christdemokrat Burkhard Balz den Aufruf unterstützt. Dabei handelt es sich allerdings weder um die Meinung des zuständigen Wirtschaftsausschusses noch des gesamten EU-Parlaments.

Bisher haben 22 Volksvertreter unterschrieben. Neben Balz unterstützen auch die deutschen Parlamentarier Sven Giegold (Grüne), Udo Bullmann (SPD), Jürgen Klute und Thomas Händel (Die Linke) die Initiative.

Die Abgeordneten betonen, dass ein Gegengewicht zur Macht der Banken- und Börsenlobby notwendig sei. "Die Lobbyarbeit einer Interessengruppe muss durch Stellungsnahmen anderer ausgeglichen werden", schreiben die Verfasser. Dies wäre in den Bereichen Umwelt und Gesundheit gängige Praxis. "Es gibt im Finanzbereich derzeit kein Gegengewicht in der Zivilgesellschaft." Dies sei ein Risiko für die Demokratie. Die Zivilgesellschaft müsse darum eine oder mehrere Nichtregierungsorganisationen bilden, die sich intensiv mit dem Finanzsektor beschäftigen. SPD-Finanzexperte Bullmann forderte hierfür auch finanzielle Mittel einzusetzen. Außerdem müsse ein "Produkte-TÜV, der als unabhängige Instanz Finanzprodukte überprüft und Informationen für Verbraucher und Entscheidungsträger bereitstellt", gegründet werden.

Unterdessen hat der Chef der Europäischen Zentralbank (EZB), Jean-Claude Trichet, die Forderung nach einer strikteren Überwachung der EU-Haushalte bekräftigt: "Das Zentrum einer Wirtschaftsunion ist die Überwachung der Haushaltspolitik." Bei einer Anhörung im EU-Parlament forderte Trichet Strafen für uneinsichtige Länder, die nicht zu einer nachhaltigen Haushaltspolitik bereit sind. Auf der anderen Seite sollen kooperative Länder belohnt werden. "Auf der Ebene der EU, der EU-Kommission, der Euro-Gruppe und des Europäischen Rates war man in Bezug auf die Durchsetzung der Haushaltsregeln nicht nachhaltig stringent. Auf der nationalen Ebene haben zudem die Belohnungssysteme für nachhaltige Finanzpolitik nicht in ausreichendem Maße gewirkt", heißt es in einem EZB-Papier.

--

Link zum Appel - hier!

Den Artikel können Sie auch auf der Website DER WELT nachlesen - hier!