Aufenthaltsgenehmigung für Herner Familie Dalaf

BRIEF von JÜRGEN KLUTE an Oberbürgermeister Schiereck

05.08.2009

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister Schiereck,

am 21. Juli hat die Herner Ausländerbehörde hat die in Bakau lebende Familie Dalaf aufgefordert, innerhalb von vier Wochen die Bundesrepublik Deutschland zu verlassen. Diese Entscheidung ist nicht nur im unmittelbaren Umfeld der Familie, sondern darüber hinaus bei Vereinen, kirchlichen und politischen Gruppen und Bürgerinnen und Bürgern aus Herne auf Unverständnis und spontane Empörung gestoßen. Wie deren Solidaritätsinitiativen eindrucksvoll bezeugen, handelt es sich bei der seit sieben Jahren in unserer Stadt lebenden Familie Dalaf um ein Beispiel gelungener Integration. Ihre Ausweisung käme daher auch einer Missbilligung erfolgreicher, und von vielen Seiten geleisteter Bemühungen um Integration gleich. Anteil an der positiven Eingliederung insbesondere der vier jüngeren Familienmitglieder hatten auch Schulen und Ausbildungsbetriebe der Stadt Herne, deren Investitionen damit zudem ungenutzt blieben.

Bei der Abschätzung der zu erwartenden Gefährdung der aus Syrien stammenden Familie sollten Sie mehrere Aspekte zur Kenntnis nehmen. Menschenrechtsorganisationen haben dokumentiert, dass Abgeschobene bei der Ankunft in Damaskus von Polizei und Geheimdienst festgenommen werden. Nach Aussagen des Auswärtigen Amts (AA) gehört die Hinzufügung körperlicher Misshandlungen zum Standard der polizeilichen Arbeit (Lagebericht vom 5. Mai 2008). Das AA bestätigt ebenso, dass alleine die illegale Ausreise aus Syrien sowie das Stellen eines Asylantrags Straftatbestände darstellen. Da auch unter Folter erpresste Geständnisse bei Gericht zugelassen werden, sind Verurteilungen auf Grund von der "Schädigung des Ansehens Syriens im Ausland" oder der "Verbreitung falscher oder übertriebener Informationen" zu erwarten.

Bei der betroffenen Familie handelt es sich um Angehörige der Jahrtausende alten religiösen Minderheit der Yeziden, deren Zahl in Syrien durch Flucht und Vertreibung stetig abnimmt und seit 2000 auf ca. 3300 gesunken ist. Als Staatenlose sind die Mitglieder der Familie Dalaf in Syrien formal rechtlos, sie haben weder Reise- oder Berufsfreiheit, noch Anspruch auf die Behandlung in einem Krankenhaus. Dass nun durch das seit Beginn 2009 geltende deutsch-syrische Rückübernahmeabkommen gerade die Ausweisung staatenloser Menschen nach Syrien ermöglicht und forciert werden soll, halte ich unter den gegebenen Umständen für unverantwortlich. Ursächlich sind offensichtlich außenpolitische Gründe, keinesfalls aber eine verbesserte Menschenrechtslage vor Ort.

Ich bitte Sie deshalb, die Ausweisung der Familie Dalaf zu überdenken und sich stattdessen für eine hier dringend angebrachte dauerhafte Aufenthaltsgenehmigung der sechs Familienmitglieder einzusetzen.

Bedenken Sie bei Ihrer Entscheidung auch die fatale Signalwirkung, welche bei dem Vollzug einer Abschiebung an die in unserer Stadt lebenden Menschen mit Migrationshintergrund ausgehen würde. Gerade in wirtschaftlich schwierigen Zeiten steht die Politik meines Erachtens nach in der Verantwortung, bedingungslos für ein friedliches und respektvolles Zusammenleben der BürgerInnen und Bürger einzustehen.

Mit freundlichen Grüßen
Jürgen Klute, MdEP

Brüssel, 05. August 2009

--
Zu den Initiativen für ein Bleiberecht für die Herner Familie Dalaf siehe auch den Beitrag von Ute Eickenbusch in der WAZ.

Nachtrag: Die vielfältigen Proteste in Herne und in anderen Fällen sowie auf parlamentarischer Ebene haben in der Zwischenzeit Wirkung gezeigt. Mehr dazu im Beitrag vom 29.12.09 von Ulla Jelpke in der jungen welt.