"Verkehr aus Wettbewerb herausnehmen"

04.06.2009
Interview mit Jürgen Klute, Neue Ruhr Zeitung

Sonntag hat der Bürger die Qual. Wen nach Europa schicken? Fast einen Meter lang ist der graue Wahlzettel mit 31 Parteien. Die Bewerber kennt kaum jemand. Mit Jürgen Klute, dem Kandidaten der Linken, beendet die Emmericher NRZ ihre Interview-Reihe zur Europawahl.

Nennen Sie uns bitte fünf Gründe, zur Europawahl zu gehen.

1. Wer nicht wählen geht, verzichtet auf die Möglichkeit, Einfluss auf Politik zu nehmen. 2. Das EU-Parlament ist das politische Gegenüber der EU-Kommission. Nur ein starkes EU-Parlament kann die Kommission kontrollieren und korrigieren. Eine hohe Wahlbeteiligung stärkt die Bedeutung und den Einfluss des EU-Parlaments. 3. Das Parlament spiegelt den Willen der Bürgerinnen und Bürger wider. Je mehr Bürgerinnen und Bürger zur EU-Wahl gehen, um so genauer und besser wird der Wille der Bürgerinnen und Bürger im EU-Parlament wiedergegeben. 4. Die Gesetzgebung der EU wirkt weit in den Alltag der Menschen hinein. Es geht z.B. um Umweltschutz, Verbraucherrechte, Arbeitnehmerrechte, öffentliche Daseinsvorsorge. Wer nicht zur EU-Wahl geht, überlässt anderen die Gestaltung der EU und damit weite Teile seines alltäglichen Lebens. 5. Wer soziale und Arbeitnehmerrechte und die öffentliche Daseinsvorsorge in der EU stärken will, der sollte Die Linke wählen.

Aus den Betuwe-Zügen aus Rotterdam zieht der Niederrhein keinen erkennbaren Nutzen, muss sich aber mit den Nachteilen herumschlagen. Andererseits wird die Grenzregion - wie viele andere Randgebiete auch in punkto Personennahverkehr immer mehr abgehängt. Muss das alles so bleiben?

Die konkrete Ausgestaltung des Personennahverkehrs fällt in die Zuständigkeit der Mitgliedsstaaten der EU. Die EU drängt allerdings auf eine Privatisierung und auf Wettbewerb im Bereich der öffentlichen Daseinsvorsorge, zu der auch der Personennahverkehr gehört.

Teil der Daseinsvorsorge

Ein privatisierter, wettbewerbsorientierter Personennahverkehr hat nur Interesse an gut genutzten Strecken, da nur dort Geld verdient werden kann. Randgebiete sind für privatwirtschaftliche Anbieter uninteressant, weil sie keinen Profit abwerfen. Folglich trete ich für den Stopp der Privatisierung des Personennahverkehrs ein und für einen Ausbau des öffentlichen Personennahverkehrs. Die Schweiz zeigt, dass man z.B. mit einer öffentlichen Bahn eine weitaus bessere Verkehrsversorgung der Bürgerinnen und Bürger sicherstellen kann als private Anbieter es können - auch in Randgebieten. Die EU muss deshalb den öffentlichen Personennahverkehr als Teil der öffentlichen Daseinsvorsorge aus dem Wettbewerb des EU-Binnenmarktes herausnehmen.

Was haben Arbeitnehmer und Arbeitslose von Europa zu erwarten?

Insbesondere die Rechte der Arbeitnehmer sind durch mehrere Urteile des Europäischen Gerichtshofes beschnitten worden. Und viele Arbeitnehmer spüren, dass die Wettbewerbsideologie der EU auch eine Lohnkonkurrenz befördert. Das lässt Arbeitnehmer immer kritischer auf die EU blicken. Deshalb tritt Die Linke für eine Stärkung der sozialen Rechte und der Arbeitnehmerrechte in der EU ein. Indirekt kommt das dann auch Arbeitslosen zugute.

Warum kandidieren Sie fürs EP, obwohl da wenig Ruhm und Publicity zu erwarten sind ?

Ruhm und Publicity spielen für mich keine Rolle. Die EU prägt immer stärker den Alltag der Menschen vor Ort. Mehr als 60 Prozent aller Gesetze, die der Bundestag beschließt, sind Umsetzungen von EU-Recht.

Arbeitnehmerrechte stärken

Gerade Arbeitnehmerrechte, soziale Rechte und die öffentliche Daseinsvorsorge der Städte und Gemeinden sind davon betroffen. Meine politischen Ziele sind deshalb, soziale und Arbeitnehmerrechte stärker ins Zentrum der EU-Politik zu rücken und die öffentliche Daseinsvorsorge gegen die Privatisierungsbestrebungen der EU-Kommission zu verteidigen. Darüber hinaus will ich dazu beitragen, die Militarisierung der EU zu stoppen und die demokratischen Rechte des EU-Parlaments zu stärken.

Steckbrief

Jürgen Klute (55) stammt aus Bünde/Westf., ist verheiratet, wohnt in Herne und ist evangelischer Pfarrer im Kirchlichen Dienst in der Arbeitswelt.

Von 2001 bis 2006 Mitglied im Vorstand der European Contact Group, dem europäischen ökumenischen Netzwerk des Kirchlichen Dienstes in der Arbeitswelt. Derzeit ausgeübter Beruf: Referent an der Evang. Stadtakademie Bochum. Klute ist u.a. Mitglied bei Verdi und Mitglied im Parteivorstand der Partei „Die Linke".

Das Interview ist auch im WAZ-Portal nachzulesen.